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Die Kunstjaegerin

Die Kunstjaegerin

Titel: Die Kunstjaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elis Fischer
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dass sie in nächster Zeit nicht plane, nach Italien zu fahren und das Bild daher für eine Untersuchung nicht zur Verfügung stünde. Dass es gestohlen war, musste sie ihm nicht auf die Nase binden.
    Die nächste Mail kam ebenfalls aus Italien. Sie las den Absender und wurde wütend. Francesco! Schon wieder! Wann kapierte er es endlich? Ihre Beziehung war vor Jahren, nein Jahrzehnten, im Streit auseinander gegangen. Theresa hatte ihn längst vergessen, Francesco meldete sich jedoch alle paar Jahre wieder. Anfangs per Brief an ihre alte Wohnadresse, nun via Internet. Wie er es geschafft hatte, ihren neuen Namen und ihre E-Mail-Adresse herauszubekommen, war ihr schleierhaft. Was wollte er noch von ihr? Absolution? Nein, den Gefallen würde sie ihm nicht tun – so wie er sie behandelt hatte. Sie löschte die Nachricht schnell, auch damit Leon sie nicht sah. Als sie die Entfernen-Taste betätigte, war ihre italienische Affäre bereits wieder vergessen.
    Theresas Laune besserte sich schlagartig, als sie die nächste Nachricht in der Liste erblickte. Eine Antwort vom Wiener Auktionshaus, endlich würde sie wissen, wie viel ihr Bild wert war.
    Auch 120.000 Euro oder gar mehr? Der Inhalt ließ sie stirnrunzelnd innehalten.
    Sehr geehrte Frau Valier!
    Vielen Dank für Ihre Anfrage zu einem Gemälde mit der Darstellung einer Inthronisation. Unser Experte Dr. Karl Brenner hat sich die Fotos angesehen und würde die Krönungsszene als deutsch-niederländisch beurteilen. Als Schätzwert für eine Auktion könnte er sich 6.000 bis 9.000 Euro vorstellen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Sandra Kummer
    So wenig? Und wieso ist die Dame nicht auf die Vignette eingegangen? Theresa sah sich ihr Anschreiben noch mal an, um zu prüfen, ob sie wirklich alle Informationen und Fotos mitgeschickt hatte. Doch sie hatte sich nicht geirrt, es stand alles darin: ›Sustermans und Rubens‹. Zwar hatte sie mit der Absicht, das Bild versteigern zu wollen, ein bisschen geschwindelt, aber trotzdem war sie über diese kurze, lapidare Antwort verärgert.
    Theresa bezweifelte, dass sich dieser Doktor Brenner ihre Fotos überhaupt angesehen hatte. Die müssten doch daran interessiert sein, wertvolle Gemälde für eine Auktion zu bekommen.
    Außerdem wurde gerade ein Sustermans versteigert, das würde eigentlich perfekt passen. Hielten diese Auktionshäusler sie etwa für  eine  Trittbrettfahrerin?  Für  eine  Betrügerin?  Eine  Zettelfälscherin? Frechheit! Die machten mit ihr sicherlich kein Geschäft mehr!
    Sie ging in die Küche, um sich etwas Süßes zur Aufheiterung zu holen. Während die Kaffeemaschine ratterte, aß sie das letzte Frühstückscroissant und durchsuchte im Anschluss, nicht ohne einen Anflug von schlechtem Gewissen, Dinos Schokoladenvorrat.
    Mit ein paar Mozartkugeln gestärkt, setzte sie sich wieder vor den Computer und überlegte, wessen Antwort noch fehlte.
    Domenico Casagrande, Co-Autor des Ausstellungskatalogs und Spezialist für allegorische Darstellungen, hatte noch nicht zurückgeschrieben. Und Leons Onkel Oskar, der aber, so wie sie ihn kannte, sicher schon forschend über seinen Büchern saß.
    Plötzlich blinkte eine neue Nachricht in ihrem Outlook auf. Als ob sie über telepathische Fähigkeiten verfügte, dachte Theresa und musste grinsen.
    Liebe Theresa! Lieber Leon!
    So hab ich, ach, das Alte Testament erneut studieret, vergess’ne Mythen mir zu Gemüt geführet. Da steh ich nun, ich alter Tor und bin so klug als wie zuvor.
    Das Bild könnte, inspiriert vom Alten Testament, vom Künstler verfremdet, vom Zeitkolorit belastet, von der Fantasie veredelt und schließlich von der Erwartungshaltung des Auftraggebers bestimmt, alle Königskrönungen von Saul über David bis Salomon darstellen.
    Die Maler kümmerten sich eh und je kaum um die ohnehin dünnen  geschichtlichen  Befunde.  Eine  historisch-kritische  Untersuchung der Bibel findet erst gut 100 Jahre später statt, die Künstler konnten also in der Geschichte ungestraft herumwildern und nach zeitgenössisch gefärbter ›Action‹ gieren.
    Krönungen gab es bei den Juden eigentlich nicht. Die Könige wurden gesalbt, meist unter vier Augen: der Prophet mit dem Horn voller Öl und der Kandidat. Auf dem Gemälde sehe ich aber kein Horn, nicht einen Propheten, sondern zwei, dazu noch bartlose Priester, die eine unklare Zeremonie vornehmen. Künstler!
    Jedoch ist die Freiheit in gewissem Sinn gerechtfertigt, weil wir von den erwähnten Salbungen, Krönungen,

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