Die Kunstjaegerin
Königsernennungen durchaus divergierende Berichte haben.
Es könnte das Gebet Salomons anlässlich der Eröffnung des von ihm erbauten Tempels sein. Dafür sprechen der Altar, das gebeugte königliche Knie, das schwelende Rauchopfer, der Prachtbau im Hintergrund, das anwesende Volk, sogar die Tauben. Sie waren als einziges fliegendes Federvieh nicht unheilig und als Opfertiere zugelassen.
Meine Interpretation der königlichen Insignien ist folgende: Sie werden gehalten, um einerseits den König zu identifizieren, der sie aber nicht selbst trägt, um seine Demut vor Gott deutlich zu machen. Vielleicht ist es eine christianisierte oder auch judaisierte Begebenheit aus der griechischen Mythologie oder die Mythologisierung einer historischen Figur. Es könnte wirklich alles sein!
Um euch vollends zu verwirren: Vielleicht handelt es sich auch nur um einen oststeirischen Adeligen, der sich seiner mährischen Angebeteten als Salomon präsentieren wollte.
Viel Spaß weiterhin bei der Schatzsuche, Euer Oskar
Theresa seufzte. Das hatte ihr nicht wirklich weitergeholfen. Wenn sie dem allem nachging, bedeutete es viel Arbeit. Sie nahm das Buch von Giancarlo Scuro über Sustermans und die Medici zur Hand und betrachtete das Verzeichnis der Sekundärliteratur. Ein fünf Seiten langer Anhang zeugte von monatelanger Recherchearbeit, hauptsächlich in Florentinischen Bibliotheken.
Unzählige Schriftstücke aus dem 17. Jahrhundert waren aufgelistet: Sterbebücher, Inventarlisten, Eingangs-und Ausgangsbücher, Rechnungsbücher. Kunstgeschichte konnte eine trockene, staubige Angelegenheit sein.
Theresa holte sich ein Glas Wasser und überflog das Kapitel ›Verschollene Werke‹. Soweit sie sah, berief sich Scuro bei deren Beschreibung hauptsächlich auf die Aufzeichnungen von einem gewissen Filippo Baldinucci. Der Name kam ihr bekannt vor, sie hatte ihn in den letzten Tagen schon einmal gelesen. Wo war das gewesen?
Sie öffnete eine Worddatei, die sie angelegt hatte, um die ersten Rechercheergebnisse zu dokumentieren. Baldinucci hatte über den Bilderkauf von Sustermans und Rubens berichtet. Durch ihn war sie überhaupt auf eine Verbindung zwischen den beiden Malern gestoßen. Aber wieso hatte er darüber geschrieben? Wer war Baldinucci? Und wo steckte dieses Rubens-Gemälde heute?
Theresa begann im Internet zu recherchieren. Nach nur zehn Minuten wusste sie mehr. Rubens’ Werk hing heute im Palazzo Pitti und Baldinucci war der erste Kurator der Uffizien gewesen. Er hatte den Grundstein für die heutigen Medici-Sammlungen gelegt.
Außerdem hatte er kunstgeschichtliche Abhandlungen verfasst und Stilanalysen durchgeführt. Für die damalige Zeit schien er ein außerordentlich fortschrittlicher Denker gewesen zu sein. Allein bei der Theorie über die Schöpfung großer Kunst war er konservativ geblieben, denn diese hatte er Gott zugeschrieben, der ein paar Auserwählten seinen zündenden Funken schickte.
Die göttliche Inspiration – so konnte man es auch nennen, dachte Theresa. Gott, der sich aus seiner Herde ein paar Schäfchen herauspickt, ihnen Kreativität einhaucht und sie dann damit alleine lässt. Wie viele waren an ihrer Gabe zerbrochen, weil sie die Kunst nicht mit dem Leben in Einklang bringen konnten.
»Ich krieg diesen Spagat auch nicht hin. Mir kommt immer so viel Leben dazwischen, dass ich für die Kunst keine Zeit habe.
Oder ich schaffe es, mir so viel Leben dazwischenkommen zu lassen«, murmelte Theresa leise. Wieder hatte sie es geschafft, einen Vormittag zu vertrödeln, ohne an ihren Illustrationen zu arbeiten. Und jetzt musste sie Dino abholen und zum Babysitter bringen. Die Auktion stand auf dem Programm.
Mit einem bedenklich wackelnden Bücherstapel schlängelte sich Flora zum letzten freien Kopierer in der Nationalbibliothek.
Während sie den staubigen Band des Thieme-Becker aufschlug, durchblätterte und schließlich auf die Glasplatte legte, überlegte sie, ob sie jemals darin vorkommen würde, im berühmtesten aller Künstlerlexika. Doch war das überhaupt erstrebenswert? Alle Verzeichneten waren sowieso tot.
Der Kopierer ratterte, machte einen leisen Knacks und streikte.
Papierstau! Sie sah sich suchend um. Sofort stand ihr ein junger Student zur Seite, der verschämt grinsend den Apparat öffnete und die zerknüllten Blätter entfernte. Flora lächelte ihn hinreißend an, obwohl ihr Robert als Retter lieber gewesen wäre. Wieso kreisten ihre Gedanken ständig um ihn? Sie
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