Die Kunstjaegerin
»Wenn ich mich recht erinnere, waren beide gemeinsam beim Gemäldeausverkauf im Schloss. Auf dem Heimweg gefiel Ambrosius die ›Badende Venus‹, die dein Vater mitgenommen hatte, mit einem Mal besser und sie haben die Bilder getauscht.«
»Wieso kauft ein schrulliger Schulwart überhaupt ein Kunstwerk?«
»Ambrosius war damals noch nicht verwirrt, er war sogar Schuldirektor. Erst nachdem seine Frau gestorben ist, wurde er wunderlich.« Theresas Mutter machte eine kurze Pause. »Ich rufe nicht nur wegen Ambrosius’ Tod an, ich habe auch eine Bitte.
Lorenz hat mich, weil sich die Fertigstellung seines Projekts verzögert, nach Chicago eingeladen und auch schon ein Ticket gebucht.«
Theresa seufzte. Manchmal beneidete sie ihren Bruder, der als Architekt die Welt bereiste. Ab und zu flatterte eine Postkarte für Dino ins Haus, dann sah sie, wo er gerade arbeitete. Beim Begräbnis war die Familie das letzte Mal zusammengekommen.
»Jedenfalls findet genau in dieser Zeit der Gedenkgottesdienst für deinen Vater statt. Gehst du bitte unbedingt hin? Wenn niemand von der Familie kommt, sieht das doch …«
Ihre Mutter stockte und Theresa wusste, dass ihr das Gerede in Pöllau peinlich wäre.
»Kein Problem, Mama. Ich werde dort sein. Hab dich lieb, aber ich muss jetzt in den Kindergarten sausen.« Sie verkniff sich, vom Mord an Wenz und dem Diebstahl zu erzählen – das würde ihre Mutter noch früh genug erfahren. Theresa eilte hinaus. Vor der Haustür rannte sie beinahe den Briefträger um, der gerade versuchte, ein zu dickes Kuvert in ihren zu kleinen Briefkasten zu stopfen. Sie steckte es schnell in ihre Tasche und fuhr zum Kindergarten.
Dino wartete bestimmt schon, denn Theresa hatte ihrem Sohn versprochen, heute mit ihm das Museumsquartier zu besuchen. Am Fuße der Mariahilfer Straße gelegen, war es ihr Lieblingsplatz in der Innenstadt. Im Sommer konnte man, abgeschottet vom Großstadtverkehr, im Innenhof die Kinder toben und basteln lassen, während man selbst in einem der Gastgärten saß, Freunde traf oder gute Musik hörte. In der kühleren Jahreszeit ging Dino in das Atelier des Kindermuseums und fabrizierte in Kreativkursen unter Anleitung junger Künstler eigenwillige Arbeiten. Theresa nutzte diese Zeit meist, um eine der Ausstellungen im Quartier zu besuchen.
Heute entschied sie sich jedoch fürs Kaffeehaus. Während sie auf ihren Espresso wartete, öffnete sie den Umschlag. Das mussten die zwei antiquarischen Kataloge über Sustermans sein, die sie vorige Woche noch bestellt hatte. Leider brauchte sie die nun nicht mehr.
Traurig betrachtete sie den Umschlag des ersten Buchs. ›Justus Sustermans – Maler der Medici‹. Zeigte das Cover den Künstler oder einen der Medici? Sie blätterte den Band schnell durch, in der Hoffnung, ihr Gemälde zu finden. Doch Fehlanzeige, es gab zwar viele Porträts, aber keine ›Krönung‹. Das zweite Buch beinhaltete lediglich winzig kleine,
schwarz-weiße Abbildungen in schlechter Druckqualität.
»Hinausgeworfenes Geld«, murmelte Theresa.
Nachdem der Kellner den zweiten Espresso gebracht hatte, überflog sie gelangweilt ihren Kalender und entdeckte, dass für morgen die Versteigerung im Wiener Auktionshaus eingetragen war. War es überhaupt noch sinnvoll, dorthin zu gehen?
Andererseits hatte sie bereits den Babysitter engagiert, das musste sie ausnutzen. Und vielleicht sah sie ein paar interessante Gegenstände, die sie für ihre Illustrationen verwenden konnte.
Dafür waren sicher auch die beiden Bücher zu gebrauchen. Ein Gemälde darin ging ihr ohnehin nicht aus dem Kopf. Sie wollte gerade nochmals nachschauen, da nahm sie einen vorbeihuschenden Schatten wahr. Als sie hochblickte, war er verschwunden. Oder war es nur eine Lichtreflexion der frühen Dämmerung gewesen, die ihr einen Streich gespielt hatte? Sie musste sich endlich eine Brille besorgen.
Arcetri, Januar 1634
Carissimo et illustrissimo mio amico!
Teuerster Freund!
Ich danke Euch für Euren letzten Brief und die aufmunternden Worte bezüglich meines Zwiespalts. Euer Argument, dass mein weiteres Werken für die Wissenschaft weit wertvoller sei, als der ehrenhafte Freitod in Flammen, hat mich wahrlich getröstet. Es gibt mir die Kraft weiter zu forschen. Und das tue ich hier. Aber nur im Geheimen, da ich von der Kirche stets beobachtet werde.
Schrieb ich im letzten Brief nicht, dass es mir untersagt sei, meinen Fuß nach Florenz zu setzen und wisst Ihr, was geschah?
Der
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