Die Kunstjaegerin
verscheuchte sein Bild, erinnerte sich an Theresas Erwähnung des Familienfotos auf Kieslings Tisch und konzentrierte sich wieder auf ihre Aufgabe, mehr Informationen über Sustermans’ Leben zu finden.
Mit den Kopien und einem Becher Kaffee aus dem Automaten setzte sich Flora auf einen der bequemen Fauteuils im Foyer.
Sustermans war der Starporträtist seiner Zeit gewesen, viele europäische Herrscher wollten nur von ihm gemalt werden.
Deshalb wurde er von den Medici sozusagen ›verliehen‹ und arbeitete an zahlreichen anderen Höfen, von der Emilia-Romagna und der Lombardei bis Innsbruck und Wien. Wie passend, dachte Flora, auf diese Weise ließ sich erklären, wie das Bild nach Österreich gekommen war. Doch offensichtlich waren drei von Sustermans’ Brüdern ebenfalls Maler gewesen und hatten in Wien gearbeitet. Das war wiederum nicht so gut, schoss es Flora durch den Kopf, denn es erschwerte die eindeutige Zuschreibung des Gemäldes. Sie machte sich eine Notiz am Rand der Kopie.
Dann fand Flora eine Aufstellung von Sustermans’ Werken und wann sie wo verkauft worden waren. Sie holte den Laptop aus ihrer Umhängetasche und nach ein paar Klicks entdeckte sie einen Bericht über eine Auktion, die 1916 im New York ›Plaza‹
stattgefunden hatte. Das Porträt eines französischen Edelmannes von Justus Sustermans war damals für 950 Dollar verkauft worden.
Ein van Dyck hatte mit 1.025 und ein Botticelli mit 1.550 Dollar nicht bedeutend mehr eingebracht. Wieso geriet ein Maler, der vor 100 Jahren noch in der Liga von van Dyck und Botticelli gespielt hatte, in Vergessenheit?
Kopfschüttelnd packte sie alle Kopien ein und machte sich auf den Weg, um Theresa zu treffen.
Er sah auf die Uhr und beschleunigte seine Schritte. Die Kontaktleute würden nicht warten, und es gab Andeutungen, dass sie wussten, wo das Bild war. Er bog um die Ecke der Dorotheergasse, schreckte zurück und blieb stehen, um nicht gesehen zu werden. Was wollte sie hier? Wusste sie doch etwas?
Aber wieso sollte sie ihr eigenes Gemälde stehlen? Er musste sie weiter im Auge behalten.
Flora winkte aufgeregt, als Theresa auf sie zueilte. »Komm, wir sind spät dran, sonst gibt es keine Sitzplätze mehr.«
»Entschuldigen Sie bitte.« Zwei Männer drängten sich an ihnen vorbei und öffneten das wuchtige Tor des Wiener Auktionshauses.
Das Palais war um die Jahrhundertwende erbaut worden, der Reichtum des aufstrebenden Bürgertums spiegelte sich im Entree mit seinen mächtigen Marmorsäulen und den vier breiten Steintreppen wider. Im zweiten Stock befanden sich die Auktionssäle. Wie in Wien üblich, musste man auf dem Weg dorthin ein Hochparterre und ein Mezzanin überwinden, und während die Freundinnen die Stufen hinaufkeuchten, erzählte Flora die Neuigkeiten aus der Nationalbibliothek.
»Er hat in Wien gearbeitet! Perfekt!« Theresa strahlte.
»Vielleicht hat sich doch ein steirischer Burgvogt als König malen lassen, um seine Freunde zu beeindrucken. Rolex und Porsche gab es ja noch nicht, um anzugeben. Schade ist nur, dass er fast vergessen wurde. Wieso bleiben einige Maler in Erinnerung und andere nicht?«
»Vielleicht weil er keine hübschen Auftraggeber hatte? Die Medici waren jedenfalls keine Schönheiten. Hätte er die ›Mona Lisa‹ gemalt, würde ihn jeder kennen«, erwiderte Flora und drückte Theresa einen Papierstapel in die Hand. »Apropos Schönheit, schau dir die letzte Seite an. Ein Porträt von Sustermans, das Antonis van Dyck gemalt hat. Dieser Giusto – ein Schnucki!«
Theresa betrachtete die Radierung. S ie zeigte einen schwarzgelockten, jungen Mann, der sie mit dunklen Augen verträumt anblickte. Ein neckisches Bärtchen ließ ihn wie einen spanischen Edelmann wirken.
»Er war dreimal verheiratet!«
Klar, dass Flora so etwas herausfinden würde, dachte Theresa und musste lächeln, als sie die Tür zum Auktionssaal öffnete.
Die Versteigerung der Werke Alter Meister war ein Höhepunkt im Auktionskalender, zu dem viele ausländische Kunsthändler, vor allem Italiener, angereist waren. Theresa musterte die Anwesenden.
Sie hatten so gar nichts von den Trödlern, die sie sonst auf dem Flohmarkt traf.
Flora hatte in der Zwischenzeit zwei freie Plätze ergattert und begann, sich mit dem jungen Mann links neben ihr zu unterhalten.
Während des Gesprächs spielte sie mit einer ihrer langen, rotblonden Haarsträhnen. Ein Tick, den sie hatte, seit Theresa zurückdenken konnte.
Theresa sah sich
Weitere Kostenlose Bücher