Die Kunstjaegerin
Serverabstürzen ein Gemälde von ihm gefunden, das unserer ›Krönung‹ ziemlich ähnlich ist.« Er holte sich den Laptop seiner Frau. »Hier, ›Decius Mus befragt die Haruspizien‹. Ich finde, dieser römische Feldherr sieht wie der Bruder unseres Königs aus, oder? Außerdem sind ebenfalls Priester in Togen, bewaffnete Männer und fliegende Tauben zu sehen.«
»Wahrscheinlich hat Sustermans das Werk gekannt«, sagte Paul nachdenklich. »Und betrachtet man die vielen Übereinstimmungen bei der Kleidung, könnte Thesis Bild durchaus eine römische Kaiserkrönung darstellen.«
»Aber was hat Galileo bei der Krönung eines römischen Kaisers zu suchen?«, überlegte Theresa.
»Und welche ist es? Die von Julius Cäsar?«, fragte Flora.
»In dem Fall würde ihm das Gemälde äußerst schmeicheln, denn er wurde kurz vor seiner Krönung erdolcht, soweit ich mich erinnere«, warf Paul trocken ein.
»Klar, du warst ja dabei, nicht wahr mein Sohn Brutus?«, konterte Flora.
»Oh, du Vestalin mit der bösen Zunge …«
»Ruhe ihr beiden, ich muss nachdenken«, fiel Theresa ihrem Freund ins Wort. Sie hielt sich die Hand an die Stirn. »Wir müssen herausfinden, ob Rubens zu der Zeit in Italien war, als Sustermans Galileo gemalt hat. Das wäre die Sensation – wenn alle drei in Arcetri zusammengesessen wären und dieses …«, sie sah auf den leeren Fleck an der Wand, »mein gestohlenes Bild dort entstanden wäre. Ein Werk für den Geheimbund der Igowskis – bei dem vielleicht auch Rubens Mitglied war.«
Nach ein paar Sekunden angespannter Stille sagte Boris: »Italien ist das Stichwort.«
Theresa sah, dass er ein wenig errötete. Sie alle hatten seine Auszeichnung vergessen, wie peinlich!
»Wenn ihr nächste Woche mitkommt, können wir das gleich vor Ort recherchieren. Habt ihre eure Termine gecheckt?«
»Wir drei haben Zeit«, antwortete Theresa schnell. Auch Paul und Flora versicherten, dass sie mitfahren würden. Leon öffnete noch eine Flasche Chianti. »Aber jetzt stoßen wir auf deinen Erfolg an.«
»Ach, lasst das …« Boris sah zu Boden. »Ich freue mich natürlich über den Preis, doch …«
»Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, du hast hart dafür gearbeitet«, unterbrach ihn Leon.
»Ich hatte die richtige Idee – zum richtigen Zeitpunkt«, schränkte Boris ein. »Da war viel Glück dabei.«
Flora betrachtete ihn, erinnerte sich an die letzten Jahre und dachte, na ja, so viel Glück auch wieder nicht. Er war jahrelang vor seinem Computer gesessen, hatte über technischen Problemen gebrütet, hatte geforscht und gelernt.
»Die meisten Menschen schuften ihr Leben lang und verdienen, wenn überhaupt, einen Bruchteil. Das ist unfair«, fuhr Boris fort.
»Was ist schon fair? Schau deine Kindheit an! War das fair?«, fragte Flora.
Boris’ Mutter und Zwillingsschwester waren bei einem Autounfall gestorben. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt und so war er mit sechs Jahren in ein SOS-Kinderdorf gekommen. Er sprach nie über diese Zeit, den Unfall oder seine Familie.
Flora stand auf und half Theresa, den Tisch abzuräumen. »Ich verstehe noch immer nicht, wieso du dein ganzes Geld in diesen Hilfsfonds gesteckt hast, Boris.«
»Weil es mich umgehauen hat. 10 Millionen Euro sind unvorstellbar viel und es wurde täglich mehr. Stell dir Dagobert Duck in seinem Tresor vor und eine Flutwelle von Talern kommt auf ihn zu. Ein Geld-Tsunami.« Boris machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. »Jeder wünscht es sich, doch wenn es dann so weit ist, flippst du aus, bestellst dir einen Porsche, einen Ferrari …«
»Mit dem ich nicht einmal gefahren bin«, heulte Leon auf, verstummte jedoch sofort, als Theresa den Kopf schüttelte.
Flora musste insgeheim lachen. Die nonverbale Kommunikation der beiden funktionierte perfekt.
Boris trank einen Schluck Wein und fuhr fort: »Ich hatte keine Familie, euch durfte ich nur Kleinigkeiten schenken. Und die Frauen, die ich damals kennenlernte, schienen doch eher am Geld interessiert als an mir … Irgendwann habe ich gemerkt, dass es mich nicht glücklich macht, allein im Porsche über Maui zu brausen. Also habe ich mir überlegt, wem ich mit dem Geld helfen könnte.«
So viel Privates hatte er schon lange nicht mehr preisgegeben, dachte Flora.
Boris erzählte weiter, dass sein Fonds seit Kurzem das AIDS-Projekt einer Freundin in Südafrika unterstütze und dass er dafür den Humanitätsaward bekommen habe.
»Eine Freundin?« Flora
Weitere Kostenlose Bücher