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Die Kunstjaegerin

Die Kunstjaegerin

Titel: Die Kunstjaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elis Fischer
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wurde hellhörig. Sofort biss sie sich auf die Zunge, sie konnte einfach nicht still sein.
    »Nur eine gute Freundin, wie ihr!« Boris winkte ab. »Ich bin nicht für Beziehungen geschaffen, das wisst ihr. Könnten wir das Thema wechseln?«
    »Richtig«, bestärkte ihn Paul, »Männer reden nicht über Gefühle.«
    »Wenn ihr es tätet, wäre das Leben für uns einfacher«, seufzte Theresa, sammelte die benutzten Servietten ein und schaute zu Leon.
    »Was willst du damit andeuten? Ich bin nicht das Thema, es geht um Boris und Paul«, murrte Leon und blickte zu Paul.
    »Also …«
    »Moi? Was soll ich erzählen? Ich bin in einer Beziehung.« Er zuckte mit den Schultern.
    »Wieso bringst du sie nicht mal mit?« fragte Flora. »Oder kannst du sie nicht mitbringen, weil sie so lang…«
    » …beinig ist? Eifersüchtig?« Paul grinste sie an.
    »Nein, ich meinte lang weilig . Derartig langweilig, dass sie dir peinlich ist.« Sie sah in die Runde und stichelte weiter: »Wenn Paul sie nicht vorstellen will, kann es nichts Ernstes sein, wie immer.«
    Flora hasste Pauls Beuteschema: zu blond, zu dünn, zu oberflächlich. Anderseits missbilligte sie, dass er seine Freundinnen halbjährlich wechselte. So behandelte man Frauen nicht! Obwohl es wahrscheinlich besser war, schon nach ein paar Monaten einen Schlussstrich zu ziehen, wenn die Beziehung nicht funktionierte. Nicht erst nach 15 Jahren – wie Walter. Er hatte sie verlassen, weil sie endlich heiraten wollte. Zwölf Wochen nach ihrer Trennung hatte er eine andere geschwängert und zum Altar geführt. 15 verlorene Jahre.
    Als könnte er Floras Gedanken lesen, sagte Paul: »Ma chère, muss man gleich ewig zusammenbleiben? Theresa hatte Glück mit Leon, du hattest kein Glück mit deinem Ex. Ich bin noch auf der Suche und damit Ende. Reden wir über Italien!«
    Arcetri, April 1634
    Carissimo et illustrissimo mio amico!
    Teuerster Freund!
    Meine geliebte Tochter Virginia ist zum Herrn gegangen. Wie es mir das Herz zerreißt! Nach einer nur wenige Tage währenden Krankheit ist sie im Alter von 33 Jahren verstorben. Wir alten Männer lamentieren über unsere beginnenden Gebrechen, unfähig, das nahende Ende zu akzeptieren, und dann stirbt ein junger Mensch ganz unerwartet. Gott hatte sie doch schon zu sich ins Kloster gerufen, wieso ruft er sie nun ganz zu sich?
    Sie war die Einzige, die ich von meinem Exil aus besuchen durfte, und auch dies wurde mir von Gott nur ein paar Monate gewährt. Wenn es nicht die Kirche ist, die mich bricht, so dann wohl er.
    Oder bin ich an ihrem Tode schuld? Ihre Sorge um mein Schicksal, als ich in Rom in den Kerker geworfen ward, der so schlimm nicht war, saß tief. Der lange Prozess, den sie als höchst gefährlich für mich glaubte, das alles hat sie verzehrt. Es hat eine tiefe, ihre Gesundheit angreifende Melancholie zurückgelassen.
    Vielleicht hat die Ungerechtigkeit, die mir von der Kirche widerfuhr, sie an ihrem Glauben zweifeln lassen? Hat es dieser Zwiespalt der Krankheit leicht gemacht, sich in ihrem geschwächten Körper einzunisten und den letzten Lebensfunken abzutöten?
    Ach, hätte ich Euch früher erreicht, Ihr wärt mit einer Arznei bereitgestanden, die sie wieder ins Leben zurückgerufen hätte. Der Medicus des Klosters ist nur ein Meister im Aderlass. Haben wir beide in Pisa, als wir noch gemeinsam Medizin studierten, auch den Aderlass als allheilendes Mittel gelehrt bekommen? Ich kann mich nicht erinnern. Ach, das ist nun schon über fünfzig Jahre her.
    Mein Freund, wie viel ist in dieser Zeit passiert. Und das Schlimmste erst vor Kurzem, denn der Verlust meiner Tochter ließ mich im tiefsten Kummer zurück, weil ich mich für ihr Sterben verantwortlich fühle.
    Ich hoffe, in der Zwischenzeit steht es um Eure Gesundheit besser!
    Innigst verbunden und ergeben,
    Euer Freund G.

Kapitel 6
    Wien, Mittwoch, 6. November
    Sie klingelten. Eine elegante, blonde Mittfünfzigerin öffnete die Tür und lächelte sie herzlich an. Marie Hohenau schien gefasster, als Theresa erwartet hatte. Paul umarmte sie lange und innig, ohne ein Wort zu sagen.
    Marie bat sie, am Sofa im Wohnzimmer Platz zu nehmen. Auf einem kleinen Tisch standen eine Kanne Tee und Gebäck bereit.
    Stilvoll, in Sterling Silber. Neben dem Tablett saß, stoisch wie eh und je, Renoir.
    »Was machst du denn hier?« Paul streichelte über den schlanken Hals des Katers.
    »Ein Polizist brachte ihn mit, als er zur ersten Vernehmung kam.
    Sie haben ihn im Geschäft gefunden …

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