Die Kunstjaegerin
Razionali‹ oder die ›Gesellschaft der Galileiisten‹«, beharrte Flora beleidigt.
»Ich will zwar keinen Geheimbundtheorie aufstellen, dennoch ist mir bei meinen Recherchen zu den Igowskis etwas aufgefallen«, sagte Boris vorsichtig und holte einen Stapel Unterlagen, den er im Vorraum abgelegt hatte.
»Seht ihr, seht ihr?«, rief Flora triumphierend und deutete auf Boris. »Sprich, mein Freund!«
Boris erzählte, dass er sich in die verschiedensten Melderegister gehackt und in Europa keinen einzigen Igowski gefunden hatte.
Einzig ein Quantenphysiker mit polnischem Ursprung in Amerika war aufgetaucht. Als er bereits aufgeben wollte, hatte er in einem Online-Archiv einen Stammbaum der Fürstenfamilie entdeckt, der bis ins 16. Jahrhundert zurückreichte.
Boris verteilte die Ausdrucke, auf deren Deckblatt die ›Krönung‹ prangte. »Ihr findet eine Kopie von ihm auf Seite zwei.«
»Wenn du etwas machst, dann aber gründlich, oder?«, bemerkte Flora anerkennend und sah die Blätter durch.
»Rätsellösen ist mein Leben«, antwortete Boris und erklärte: »Die Genealogie beginnt mit Martin um 1550, gefolgt von ein paar für uns unwichtigen Familienmitgliedern. Um 1620, bei Bonaventura, wird es wieder interessant …« Boris machte eine Pause. »Fällt euch nichts auf? Bonaventura ! Wir haben auf einmal einen italienischen Vornamen bei den polnischen Igowskis – und zwar genau zu der Zeit, als Justus Sustermans in Florenz malte.
Giusto und Bonaventura – ein Niederländer und ein Pole treffen sich in Italien.« Boris strahlte über das ganze Gesicht.
»Das klingt gut«, sagte Theresa. »Wenz hat eine eigenartige Mischung von niederländischen und italienischen Elementen auf dem Bild erwähnt.«
»Exactement, hier müssen wir weitersuchen«, pflichtete Paul bei.
Boris fuhr fort, dass es unter den Igowskis viele Wissenschaftler und Künstler gegeben hatte, wie den Komponisten Alexandre Igowski, der ein guter Freund Frédéric Chopins gewesen war, oder Jacques Igowski, der in die Familie Victor Hugos eingeheiratet hatte. Darüber hinaus hatte Boris in der Familie einige Gelehrte und ein paar Politiker entdeckt. Er schmunzelte: »Es gibt wohl in jeder Familie schwarze Schafe. Wie auch immer, die Igowskis schienen viel Wissen und Geist von Generation zu Generation vererbt zu haben. Vielleicht auch ein Gemälde, das Galileo Galilei zeigt und vom Geheimbund der Igowskis bewacht wurde.«
Flora sagte aufgeregt: »Und vielleicht versuchten die Igowskis damals, den verfolgten Galileo zu beschützen. Gab es nicht zu jeder Zeit mysteriöse Vereinigungen, angefangen mit den Templerorden, die etwas bewahren wollten?« Sie beugte sich herausfordernd zu Paul vor. »Oder existierten die Templer da auch noch nicht?«
»Du lässt nicht locker, was? Die gab es schon; ob sie wirklich den heiligen Gral zu hüten hatten, wage ich jedoch zu bezweifeln«, erwiderte Paul. Bedrückt fügte er hinzu: »Darüber hätte Rembert viel gewusst, die Templer und der Gral waren sein Spezialgebiet.«
»Vielleicht wollte er Theresa deshalb sprechen«, meldete sich Leon zu Wort, der die Unterhaltung bis dahin stumm und nachdenklich verfolgt hatte.
»Morgen mache ich einen Kondolenzbesuch bei Tante Marie«, überlegte Paul. »Ich werde sie fragen, ob er mit ihr über euer Bild gesprochen hat«
»Wieso sollte er das tun, sie waren doch geschieden?«, fragte Flora. »Ich würde meinem Ex nicht einmal mehr die Uhrzeit sagen.«
Theresa sah, wie sich die Gesichtszüge ihrer Freundin verspannten – wie immer, wenn sie von Walter sprach.
»Rembert und Marie waren sich noch sehr zugetan«, antwortete Paul. »Ich bin mir sicher, dass unsere Familie tatkräftige Unterstützung zur Zerrüttung der beiden geleistet hat. Nicht standesgemäß. Ihr wisst schon. Marie bereut heute, dass sie sich beeinflussen ließ.« Er nahm eine Scheibe Salami, die er geistesabwesend um ein Grissino wickelte.
»Kann ich mitkommen? Ich würde sie gerne kennenlernen«, fragte Theresa und drückte Paul eine Serviette in die Hand, wie sie es sonst bei ihrem Sohn tat, wenn er mit dem Essen spielte.
»Gerne!« Dankbar legte Paul die fettige Hand auf Theresas Schulter. Sie zog die Augenbrauen hoch, schielte auf den Fleck auf ihrer Bluse, sagte jedoch kein Wort. Ob nun Dino oder Paul ihr Gewand versauten, war letztendlich egal.
»Was ist mit meinen Rubens-Recherchen?«, fragte Leon, als Theresa begann abzuräumen. »Heute habe ich zwischen zwei
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