Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
von Woche zu Woche, von Tag zu Tag mehr, auch wenn er es sich ungern eingestand.
Die beiden Männer hatten gerade die Via del Bianchi verlassen, als vor ihnen ein Mann auftauchte. Er war von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gekleidet, und an seinem Ohr blitzte ein silberner Ring.
»Giuseppe di Avignon«, raunte Ascanio ehrfürchtig. Er hatte blankgezogen und mit einem schnellen Schritt zu Bramante aufgeschlossen. »Ah, Ascanio Romano! Dann werden wir also fechten müssen, Messèr?«
Der Leibwächter nickte. »Giuseppe di Avignon ist der beste Fechter, den ich kenne«, erklärte er dem Architekten.
»Irgendwann musste es ja so kommen, dass wir uns im Kampf gegenüberstehen«, sagte der Angreifer mit einer gewissen Wehmut. Sie verneigten sich voreinander, dann begann das Duell. Bramante konnte die Hiebe kaum verfolgen, so rasch kreuzten die beiden Fechtmeister ihre Klingen in einem eleganten Wechsel von Angreifen und Parieren, gewürzt von klugen Finten und entschlossenen Stößen. Schließlich gelang es Giuseppe durch eine Sforza, Ascanio die Waffe aus der Hand zu schlagen. Geistesgegenwärtig warf Bramante seinem Leibwächter sein eigenes Rapier zu. Dieser fing es auf, vollführte eine blitzschnelle Parade, die er mit einer Riposte verband, bei der er seine Klinge entlang des Degens von Giuseppe führte, sie zur Seite drückte und zustieß. Als Ascanio das Rapier zurückzog, griff sich Giuseppe ans Herz und blickte verblüfft auf das Blut in seiner Hand. »Mon coeur!«, flüsterte er, bevor er tot zu Boden sank.
»Schade um ihn, er war ein guter Mann. Aber irgendwann ereilt es jeden von uns«, sagte Ascanio.
»Dann setz dich nur rechtzeitig zur Ruhe«, riet der Baumeister betroffen.
Ascanio lachte bitter und tauschte mit Bramante das Rapier. »Und wovon soll ich leben?«
»Bleib bei mir, und es soll dein Schaden nicht sein!«
»Solange Ihr solch entschlossene Feinde habt, werdet Ihr meine Dienste wahrlich brauchen. Der Kardinal muss Euch sehr hassen, wenn er einen so teuren Mann wie Giuseppe di Avignon angemietet hat.«
»Nicht weniger als ich ihn! Aber ich habe keine Zeit, mich mit Mordkomplotten zu beschäftigen, ich muss den Tempel der Tempel errichten. Was ist im Vergleich dazu schon ein kleiner Kardinal?«
Es wurde Zeit, dass er dem Dominikaner einen Schuss vor den Bug setzte, dachte der Baumeister verärgert. Glaubte der etwa, Donato Bramante ließe sich aufhalten?
Der Papst hatte Bramante zum Essen und zu einem Glas Wein eingeladen, weil er mit ihm sein neues Projekt besprechen wollte. Er wünschte sich nämlich eine breite Straße, die den Petersdom mit der Lateranbasilika, der päpstlichen Bischofskirche, verband. Viele Prozessionen führten von Sankt Peter zu San Giovanni in Laterano, und immer mussten sich die Menschen durch die engen Gassen und unübersichtlichen Viertel von Ponte, Regola, Sant’Angelo und Sant’Eustachio quälen. Bramante hatte vorgeschlagen, diese neue Straße am Tiber entlangzuführen, dann zum Kapitol zu schwenken, den berühmten Hügel links liegen zu lassen, um in gerader Linie weiter zum Lateran zu ziehen. Heißen sollte diese Straße Via Giulia, nach ihrem Erbauer, dem Papst. Um dieses Projekt zu verwirklichen, hatte Bramante erklärt, müsse er viele Häuser abreißen, was zu seinem Erstaunen durchaus in der Absicht des Papstes lag. Wenn er nämlich das städtische Labyrinth beseitigte, wurde gleichzeitig der Sumpf trockengelegt, aus dem der rebellische römische Adel seine Widerstandskraft bezog. Mit der städtebaulichen Veränderung verfolgte Julius II. von Anfang an zwei Ziele – Repräsentation und Machterweiterung.
Auch der Entwurf für Sankt Peter kam zur Sprache. Der Papst erinnerte Bramante wieder einmal daran, dass Michelangelo in die Planung einbezogen werden sollte, und der Architekt versprach, dem nachzukommen, wenn es an der Zeit wäre. Doch er nutzte auch die Gelegenheit, um dem Stellvertreter Christi seinen Verdacht mitzuteilen, dass der Kardinal Catalano hinter dem Anschlag auf Michelangelo steckte.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Julius II. entrüstet.
»Mein Diener hat einen der Männer gestellt, der mit von der Partie war. Und der hat als seinen Auftraggeber den Kardinal angegeben.«
Eine Zornesfalte teilte die Stirn des Kirchenoberhauptes. Der Papst ließ ein unwilliges Räuspern hören, bevor er drohend seinen rechten Zeigefinger erhob. »Dir ist bewusst, dass diese Anschuldigung lächerlich ist? Ich werde dennoch mit dem Erzpriester
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