Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
Vom Netzwerk:
Entweder sind sie fromm oder gierig, und keines von beiden ist von Vorteil. Stelle dein Wissen in Unseren Dienst.«
    Chigi war überrascht, doch dann erkannte er, dass der Papst sich seiner beiden Achillesfersen durchaus bewusst war, dem fortgeschrittenen Alter und der Finanznot. Bei Letzterer konnte er ihm behilflich sein – zum Nutzen des Papstes und zu seinem eigenen Vorteil. Schließlich hatte auch er nichts von Krediten, die nicht zurückgezahlt wurden, oder von Zinsen, die nicht flossen.
    »Ich bin Euer ergebenster Diener, Heiliger Vater.«
    Der Pontifex segnete den Bankier, erhob sich und verließ das Kontor.
    Colonnata, Anno Domini 1505
    Im Rücken der beiden Reiter kräuselten sich die Wellen des Tyrrhenischen Meeres im aufkommenden Abendsturm. Es wäre sicherer gewesen, wenn sie in Carrara den kommenden Tag erwartet hätten, aber Michelangelo hatte sich in den Kopf gesetzt, noch an diesem Tag Colonnata zu erreichen. Je höher sie im Gebirge aufstiegen, umso dichter zog sich der Himmel zu. Die Wolkendecke verschlang das Sternenlicht. Als die beiden Reisenden endlich die enge Bergstraße erreichten, die steil zum Dörfchen anstieg, war die zerklüftete Welt der Apuanischen Alpen vor ihnen bereits in das schwarze Loch der Nacht gefallen. Da man kaum die Hand vor den Augen sah, schwebten sie ständig in der Gefahr, vom Pfad abzukommen und in die Tiefe zu stürzen. Der Wind strich wie ein Dieb durch die Föhren und pfiff um die Klippen. Obwohl im Süden bereits der Frühling Einzug hielt, war es in den Bergen noch empfindlich kühl. Die Mitternacht rückte näher, jene Stunde, in der sich, wie viele glaubten, allerlei Kreaturen, die Gottes Licht scheuten, aufmachten, um in der Finsternis ihr Unwesen zu treiben.
    »Herr, was, wenn wir einem Zauberer oder einer Hexe begegnen?«, fragte Francesco.
    »Für den Fall helfen ein Gebet und die Klingen unserer Rapiere!«
    »Ein Gebet?« Michelangelos Antwort hatte die Angst des Dieners nicht zerstreut.
    »Ja, bist du denn etwa kein guter Christenmensch? Wo Menschen nicht mehr helfen können, bleibt uns nur die Hoffnung auf den, der alles vermag.«
    Francesco stöhnte, schwieg aber. Sie hofften, endlich anzukommen.
    »Kannst du es spüren?«, rief Michelangelo begeistert. Er stand aufrecht in den Steigbügeln und sah auf seinen Diener hinunter, der sich auf dem Rücken seines Pferdes zusammengekauert hatte.
    »Was denn, Herr?«, fragte Francesco verständnislos.
    Der Bildhauer hob die Nase und sog genussvoll die kalte Luft ein, als sei sie voller Gewürze. »Den Stein!«
    »Welchen Stein?«
    »Den Marmor. Meine Amme war die Frau eines Steinmetzen. Eine feine Schicht des Gesteins bedeckte immer ihre Brust und die Brustwarze. Deshalb werde ich nie Geruch und Geschmack des Marmorstaubs vergessen können, wenn er in die Nase und auf die Zunge dringt.«
    In den kleinen Steinhäusern von Colonnata, die sich an die Felsen schmiegten und deren Umrisse man eher erahnte denn erkannte, brannte kein Licht, weder Öllämpchen noch Kerzen. Die Bewohner des Bergnestes schienen bereits zu schlafen. Fast ausnahmslos lebten sie von der harten und gefährlichen Arbeit, den Marmor aus dem Felsen zu brechen. Dabei gab es nichts Tückischeres. Ganz gleich, wo die Männer arbeiteten, sie waren der Todeskraft des Teufelsgesteins ausgesetzt. Der Staub, der beim Herausschlagen des Marmors aufwirbelte, verschloss mit der Zeit die Atemwege der Arbeiter, sodass ihre Gesichter allmählich eine weißlich gelbe oder grauweiße Farbe annahmen und sie sich schließlich in den Tod husteten. Diejenigen aber, die sich damit beschäftigten, die Gesteinsbrocken mit der Lizza, dem Transportschlitten aus Holz, oder dem Ochsenkarren zu Tale zu bringen, drohte die Gefahr, von dem unberechenbaren Gewicht des Gesteinsblocks zerquetscht oder erschlagen zu werden. Es genügte, wenn ein Hanfseil riss, eine Holzkufe des Schlittens brach oder ein Rad des Karrens und die Unwucht des steinernen Riesen dann wie das blinde Schicksal wütete. Der verhältnismäßig große Friedhof, an dem sie vorbeiritten, legte in aller Stille Zeugnis ab vom Unfalltod der Bewohner, dem sie weit häufiger erlagen als dem natürlichen.
    Michelangelo zügelte sein Pferd und sprang ab. Francesco tat es ihm gleich und schrie auf, kaum dass er auf dem Boden gelandet war. Der Bildhauer wandte sich überrascht um, sah aber nur, dass der Diener auf dem linken Bein hüpfte, während er den Fuß des angewinkelten rechten Beines mit seinen Händen

Weitere Kostenlose Bücher