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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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umfasst hielt und dabei herzzerreißende Laute ausstieß.
    »Du weckst noch die Toten auf!«, fuhr ihn Michelangelo an.
    »Mein Fuß war eingeschlafen, und als ich aufkam, schoss mir ein Schmerz wie Feuer durch Mark und Bein«, brachte Francesco zu seiner Entschuldigung vor.
    Michelangelo öffnete die Tür der kleinen, aus Felsgestein errichteten Parochialkirche und schritt, von Francesco gefolgt, durch das Schiffchen bis zu dem schlichten Altar, auf dem eine einzelne große Kerze in dem leichten Zugwind flackerte, der durch das Gotteshaus wehte. Sie würde bis zum Morgen halten, bis zur Laudes bestimmt.
    Er kniete nieder, senkte den Kopf, verschränkte die Hände und flüsterte: »Herr, erbarme dich all der guten Männer, die im Berg den Tod fanden, und segne unser Vorhaben, denn es geschieht nicht anders als zu deinem Lobpreis.« Nachdem er anschließend ein Vaterunser gebetet hatte, bekreuzigte sich Michelangelo und stand auf.
    Plötzlich wurde die Kirchentür aufgerissen. Im Eingang stand ein junger Bursche mit blutverschmiertem Gesicht. Die Augen des Jungen traten ihm fast aus den Höhlen. Die Kleidung hing in Fetzen von seinem geschundenen Körper. Wie eine Wundererscheinung starrte er die beiden Männer an, dann spie er in die Kirche, drehte sich um und lief davon.
    »Ein schöner Empfang«, sagte Michelangelo trocken. »Hoffentlich sind die hier nicht alle so!«
    Francesco zog unwillkürlich die Schultern hoch. Als sie die kleine Kirche verließen, schlugen sie einen großen Bogen um das am Boden liegende Sputum, als könnten sich daraus plötzlich Schlangen erheben und mit ihren Giftzähnen nach ihnen schlagen.
    Das Dorf machte auf sie einen abweisenden, ja feindseligen Eindruck. Ein wenig ratlos folgten sie der hügeligen Straße, die sich zwischen den Häusern aus Felssteinen wand, bis sie auf eine windschiefe Kate stießen, aus der Licht drang. Über der Tür hing ein Schild, vermutlich mit einer Aufschrift, die sie aber in der Dunkelheit nicht zu entziffern vermochten. Michelangelo klopfte kräftig gegen die Tür.
    »Wer ist da?«, fragte eine raue Männerstimme.
    »Michelangelo Buonarroti, Bildhauer im Auftrag des Heiligen Vaters!«
    »Des Heiligen Vaters, soso.« Der Mann hinter der Tür räusperte sich. »Woher soll ich wissen, dass Ihr die Wahrheit sagt?«
    »Wissen könnt Ihr es nicht, Ihr könnt es mir nur glauben.«
    »Glauben? Ich glaube, dass die Welt voller Betrüger ist und dass es nicht Gottes bester Tag war, an dem er die Welt erschuf. Ach, was soll’s, kommt herein! Schließlich betreibe ich eine Osteria und kein Nonnenkloster.«
    Wenig später saßen sie in der schäbigen Gaststube, in der nur ein paar Holztische und -stühle biblischen Alters dösten. Der hagere Wirt brachte ihnen eine Bohnensuppe und einen sauren Roten. Im Raum roch es nach verschüttetem Wein und abgestandenem Schweiß.
    Michelangelo wies auf den Platz neben sich, aber der Wirt zog es vor, stehen zu bleiben. Reichlich ungewöhnlich für seinen Berufsstand, gab er sich recht wortkarg, sodass Michelangelo eine erhebliche Energie aufbringen musste, um herauszufinden, wo der Steinmetzmeister Fritz il Rosso wohnte.
    »In der Kirche sind wir einem Jungen mit blutigem Gesicht begegnet«, erzählte der Bildhauer.
    Der Hausherr wurde blass und bekreuzigte sich. »Das war Giovanni Masciotto.«
    »Lasst Euch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«
    »Besser man spricht nicht darüber!«, wehrte der Wirt ab.
    Michelangelo riss der Geduldsfaden. Er griff nach dem Wehrgehänge, das auf dem Tisch lag, zog sein Rapier heraus und hielt es ihm an die Kehle. »Nun redet schon.«
    »Er war der Sohn des Steinebrechers Gasparro.«
    »Wieso war?«
    »Das ist es ja gerade. Er ist tot.« Michelangelo und Francesco sahen sich verblüfft an.
    »Und woher wisst Ihr, dass er es ist?«, erkundigte sich Michelangelo.
    »Weil ihr nicht die Ersten seid, die ihn gesehen haben. Es ist nicht geheuer!«
    Michelangelo konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Er schob den halb vollen Teller mit der Bohnensuppe zurück.
    »Wie kann er tot sein, wo ich ihn gerade gesehen habe?«
    »Beantwortet Euch die Frage selbst. Es bringt Unglück, über die Toten zu reden. Und wenn Ihr mich aufspießt, ich sage nichts mehr dazu!«
    »Dann erklärt mir wenigstens, wie er zu Tode gekommen ist.«
    »Ich zeige Euch Euer Nachtlager«, sagte der Wirt und wandte sich zur Treppe.
    Das Nachtlager verdiente seinen Namen nicht. Es bestand aus einem winzigen Verschlag unter dem

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