Die Kurtisane des Teufels
Ihr, wer da in Frage kommt?«
»Ich habe Euch eine Liste meiner Zunftgenossen in der näheren Umgebung aufgesetzt, an die Cherry Poll sich wenden könnte«, erklärte er und zog ein zusammengefaltetes Blatt aus seiner Rocktasche.
Kitty überflog es. »All diese Adressen abzuklappern wird einen ganzen Tag beanspruchen.« Sie blickte den Wundarzt nachdenklich an. »Ich danke Euch für Eure Warnung. Am besten mache ich mich gleich auf den Weg.«
»Geht zur Drury Lane«, schlug Meister Hearne vor. »Ich suche derweil in St. Giles.«
»Ihr wollt tatsächlich Eure Zeit opfern?«, fragte Kitty gerührt.
»Wenn ich auf diese Weise ein Leben retten kann.«
»Wie soll ich Euch nur danken?«
»Indem Ihr nicht dieselbe Dummheit begeht!«
Kitty lächelte bitter. »Wenn ich damals … schwanger geworden wäre … ich weiß nicht, was ich alles getan hätte, um das Kind loszuwerden …«
Meister Hearne verstand, dass sie sich auf die Vergewaltigung bezog, die nun bereits zwei Jahre zurücklag, und nickte verständnisvoll.
»Zum Glück ist es nicht so weit gekommen. Hoffen wir, dass diese Sache ebenso glimpflich ausgeht.«
Er neigte den Kopf und verließ sie. Kitty eilte in ihre Kammer, warf sich einen Umhang über und huschte aus dem Haus. Falls Mutter Grimshaw sie vermisste, würde sie sich eine Ausrede einfallen lassen müssen. Vor dem Haus überlegte sie, ob sie eine Sänfte nehmen oder zu Fuß gehen sollte. Ein Tragsessel würde ihr viel Zeit ersparen. Eilig machte sie sich auf den Weg zur Piazza und winkte den Trägern einer Sänfte zu, die gerade Pause machten.
»Wohin soll’s gehen, Madam?«, fragte der Vordermann.
Kitty warf einen kurzen Blick auf die Liste, die sie von Meister Hearne erhalten hatte, und wählte die erste Adresse in Richtung Drury Lane.
»Zum ›Goldenen Becher‹ im Dukes Court bitte.«
Der hintere Träger hob das Dach der Sänfte, während der Vordermann die Tür offen hielt. Kitty raffte ihre Röcke und stieg ein. Die Träger fielen in ihren wiegenden Trott und bogen in die Russell Street ein. Aufmerksam studierte Kitty die Passanten zu beiden Seiten der Straße. Wenn Polly diesen Weg genommen hatte, würde sie sie finden!
Als die Sänfte vor dem Haus »Zum Goldenen Becher« hielt, stieg Kitty aus und bat die Träger zu warten. Ohne Zögern rauschte sie über die Schwelle und sprach den verdutzt dreinblickenden Gesellen an, der gerade dabei war, einen Kunden zur Ader zu lassen.
»Ist heute ein junges Mädchen hier gewesen und hat um einen gefährlichen Eingriff gebeten?«
Der Geselle war von ihrem brüsken Auftreten so überrumpelt, dass er ein paar Mal stumm den Mund auf- und zuklappte, bevor es ihm gelang, seine Stimme wiederzufinden.
»Solche Eingriffe nimmt mein Meister nicht vor, Madam.«
»Keine Ausflüchte! War sie hier oder nicht?«
»Nein, Madam, ich schwöre Euch, wir hatten heute noch keine weiblichen Kunden«, beteuerte der Geselle.
»Wenn ich herausbekomme, dass Ihr mich belogen habt, zeige ich Euren Meister bei der Gilde an. Ist das klar?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Kitty die Offizin wieder und bestieg die Sänfte. Die verwunderten Blicke der Träger verrieten ihr, dass ihre Stimme bis auf die Straße hinaus zu hören gewesen war. Sie musste sich beherrschen, wenn sie morgen nicht im Mittelpunkt des Stadtgesprächs stehen wollte.
Die Sänfte trug Kitty von Wundarzt zu Wundarzt, doch ihre Suche blieb erfolglos. Sie fand keine Spur von Polly. Als der Nachmittag in den Abend überging, wies sie die Träger an, sie nach Covent Garden zurückzubringen. Vielleicht war Polly längst wieder zu Hause und wartete auf sie.
Gerade als sie in die Brydges Street einbogen, fiel Kitty eine junge Frau auf, die in gebeugter Haltung an einer Hauswand stand und sich mit der Hand abstützte.
»Anhalten!«, befahl Kitty und sprang aus der Sänfte, bevor der Träger ihr die Tür öffnen konnte.
»Polly … ich habe dich überall gesucht«, rief sie erleichtert. »Wo warst du?«
Wie im Traum wandte das Mädchen den Kopf. Pollys Gesicht war bleich wie eine Talgkerze, und ihre Augen blickten trübe, als habe sie zu viel getrunken.
»Es ist getan«, hauchte sie mit schwacher Stimme. »Endlich bin ich frei …«
»Du hast das Kind abtreiben lassen?«, fragte Kitty mit gesenkter Stimme.
»Es musste sein. Verstehst du das nicht?«
»Du bist ganz blass, Liebes. Komm, setz dich in die Sänfte«, sagte Kitty und legte den Arm um die Taille ihrer Freundin.
»Bringt sie zu
Weitere Kostenlose Bücher