Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
Vom Netzwerk:
von Richmond und St. Albans, in deren Armen sie sich so sicher fühlte, dass sie ihnen einige Monate nach der Vergewaltigung wieder beiliegen konnte. Es rührte Kitty, dass sie Charles Lennox offenbar so viel bedeutete, dass er sich Gedanken über ihren Gemütszustand machte.
    »Man kann nicht immer weinen«, sagte sie.
    »Ihr werdet mir also noch ein wenig Eurer kostbaren Zeit opfern?«, fragte er. »Es ist gerade erst Mitternacht. Zu früh, um sich zu Bett zu begeben. Das ist etwas für biedere Spießbürger, meint Ihr nicht auch?«
    »Was schlagt Ihr also vor, Euer Gnaden?«
    »Wir könnten noch etwas trinken gehen. In der ›Three Tuns Tavern‹ auf der Chandos Street gibt es einen hervorragenden Frontignac.«
    »Wenn Ihr das sagt.«
    »Falls es für Euch nicht zu beschwerlich ist, könnten wir die wenigen Schritte dorthin zu Fuß gehen«, meinte der Herzog von Richmond. »Oder sollen wir zwei Sänften nehmen?«
    »Mein Umhang wird mich warm halten, Euer Gnaden«, versicherte Kitty.
    Es war zwei Tage vor Weihnachten, aber bisher war noch kein Schnee gefallen, und die junge Frau empfand die trockene Kälte nicht als unangenehm. An Charles Lennox’ Arm ging Kitty die vertrauten Wege durch Covent Garden, das ihr zur Heimat geworden war. Nachdem sie Mutter Grimshaw hohe Gewinne eingebracht und sich bei der Führung des Hauses unentbehrlich gemacht hatte, war ihre Position im Haus der Putzmacherin gefestigt. Die Alte hatte sogar einmal angedeutet, dass sie Kitty eine Partnerschaft anbieten wollte, falls diese daran interessiert sei, ihr gespartes Vermögen zu investieren.
    Am Ende der Bedford Street, an der Ecke zur Chandos Street, lag die »Three Tuns Tavern«. Trotz der späten Stunde verriet das muntere Stimmengewirr im Innern, dass noch reges Treiben herrschte. Als der Herzog und Kitty über die Schwelle traten, winkte ihnen ein gutaussehender junger Mann von einem der hinteren Tische zu.
    »Sieh an, der ehrenwerte John Finch«, bemerkte Charles Lennox. »Und allein! Wie ungewöhnlich. In letzter Zeit trifft man ihn fast ausschließlich in Sallys Begleitung an.«
    Kitty war dem Sohn der Herzogin von Winchelsea bereits vorgestellt worden. Galant verbeugte sich Finch vor ihr, als die beiden Ankömmlinge an seinen Tisch traten.
    »Wollt Ihr mir nicht Gesellschaft leisten, Euer Gnaden, Madam?«, lud er sie ein.
    »Sehr gerne«, stimmte Kitty nach einem kurzen Seitenblick auf Richmond zu. »Ich hoffe, man hat Euch nicht versetzt.«
    Finch lächelte amüsiert. »Nein, ich bin gerade erst gekommen. Eigentlich war ich auf dem Weg nach Hause, aber hier schenkt man einen so vorzüglichen Schlaftrunk aus, dass ich nicht widerstehen konnte.«
    »Ist Eure Herzensdame heute nicht bei Euch, Sir?«, fragte Lennox.
    »Sally? Nein, heute Abend nicht. Sie kümmert sich um Jenny.«
    Sally hing sehr an ihrer Schwester, die durch eine Pockenerkrankung das Augenlicht verloren hatte, und sorgte rührend für sie, wie Kitty wusste.
    »Das arme Ding kommt so selten aus dem Haus«, sagte Finch mitleidig. »Ich habe ihr eine Karte für die Oper geschenkt und werde sie morgen dorthin ausführen«, fuhr Finch fort.
    »Das wird Jenny gefallen«, meinte Kitty, die das bedauernswerte Mädchen vom Sehen kannte.
    Die Stunden vergingen wie im Flug. Als die Nacht vorrückte, wurde es in der »Three Tuns Tavern« ruhiger. Bald war außer dem Herzog von Richmond, Kitty und John Finch nur noch eine Gruppe junger Männer in Begleitung einiger Damen der Nacht im Schankraum. Finch rief nach mehr Wein. Der Wirt, der sich danach sehnte, endlich abschließen und schlafen gehen zu können, holte widerwillig seinen Schankburschen aus dem Bett und trug dem übermüdeten Knaben auf, eine neue Flasche Frontignac zu holen. Finch bat außerdem um Weißbrot und ein Messer.
    Das Feuer im Kamin fiel allmählich in sich zusammen. Da die Kälte der Dezembernacht in ihre Glieder kroch, rief Finch erneut nach dem Schankburschen, er solle die Flammen schüren. Mit verstimmter Miene erschien stattdessen der Wirt und brummte, der Knabe brauche seinen Schlaf. Er legte Kohle nach, stocherte mit dem Schürhaken in der Glut und zog sich wieder in sein Hinterstübchen zurück. Doch der arme Mann sollte in dieser Nacht keine Ruhe finden. Wenige Augenblicke später wurde die Tür aufgeworfen, und Sally Salisbury rauschte in die Schankstube, gefolgt von ihrer Schwester Jenny. Alle Anwesenden wandten den Kopf, und die Gespräche verstummten. Das Gesicht der jungen Kurtisane war vor

Weitere Kostenlose Bücher