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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Meister Hearne auf der Piazza«, befahl Kitty den Trägern. »Ich folge Euch, so schnell ich kann.«
    Schon bald verlor sie die davoneilende Sänfte aus den Augen. Als Kitty endlich die Chirurgenstube erreichte, war sie völlig außer Atem. Es war das erste Mal seit ihrem Besuch mit Daniel, dass sie die mit allerlei Utensilien der Wundarzneikunst und seltsamen Ausstellungsstücken vollgestopfte Offizin betrat. Im hinteren Bereich entdeckte sie Meister Hearne, der seinen Rock ablegte und sich über eine reglose Gestalt auf dem Operationstisch beugte. Er musste kurz vor ihr hereingekommen sein. Mit letzter Kraft zwang Kitty ihre Füße vorwärts.
    »Was ist mit ihr?«, fragte sie bestürzt, als sie sah, dass Polly sich nicht rührte.
    »Das versuche ich gerade festzustellen«, entgegnete der Wundarzt, ohne sie anzusehen.
    Er fühlte Pollys Puls und schlug ihre Röcke hoch. Entsetzt sog er die Luft ein. Der unterste Rock war voller Blut, ebenso wie die Beine des Mädchens. Allen Anstand in den Wind schlagend, schob Meister Hearne Pollys Schenkel auseinander und steckte den Finger in ihre Scheide. Als er ihn wieder herauszog, folgte ein Schwall Blut.
    »Hol kaltes Wasser und Leintücher!«, befahl er seinem Lehrjungen, der der Untersuchung mit großen Augen zugesehen hatte.
    Als der Knabe mit dem Geforderten zurückkehrte, hatte Meister Hearne bereits Pollys Kleid aufgehakt und die Röcke gelockert, bis ihr Unterleib entblößt war. Dann tauchte er die Leintücher nacheinander in das Wasser und wickelte sie um den Bauch des Mädchens.
    Zitternd beobachtete Kitty seine Bemühungen, den Blutfluss zu stillen. Ihre Hand legte sich auf Pollys, deren Finger schrecklich kalt waren. Ihr Gesicht war noch weißer geworden, und um die Augen hatten sich dunkle Schatten gebildet. Da öffneten sich ihre Lider, und ihr Blick richtete sich auf Kitty.
    »Es tut mir leid«, hauchte sie. »Ich hätte auf dich hören sollen. Bitte verzeih mir …«
    »Es gibt nichts zu verzeihen«, versicherte Kitty. Ein Schluchzen stieg in ihre Kehle, das sie vergeblich zu unterdrücken versuchte.
    Zärtlich strich sie der Freundin über die Stirn, auf der sich kalter Schweiß bildete. Die Haut war eisig. Pollys blutleere Lippen bewegten sich, doch ihre Stimme war so schwach, dass Kitty die Worte nicht mehr verstehen konnte. Ihre Lider flatterten noch einmal, dann schlossen sie sich. Ihr angestrengtes Atmen, das den ansonsten stillen Raum erfüllt hatte, verstummte.
    »Polly!«, rief Kitty erschüttert, als könne sie das Mädchen ins Leben zurückrufen. »Nein, das darf nicht sein! Gnädiger Gott, lass sie nicht sterben!«
    Langsam richtete sich Meister Hearne auf, trat ans Kopfende des Operationstisches und fühlte Pollys Puls.
    »Es tut mir sehr leid, Madam. Sie hatte zu viel Blut verloren.« Mitfühlend sah er sie an. »Dies ist nicht das erste Mal, dass Ihr eine Freundin verliert. Ich wünschte von ganzem Herzen, ich hätte sie retten können.«
    Rücksichtsvoll entfernte sich der Wundarzt und wies seinen Lehrknaben an, den Wandschirm vor dem Operationstisch auszuziehen, damit sich Kitty ungestört verabschieden konnte. Die junge Frau ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie hatte das Gefühl, als läge ein Fluch auf ihr. Sie hatte jeden verloren, an dem ihr Herz hing. Nun blieb ihr nur noch ihre Tochter.

31
    Es freut mich, Euch endlich wieder einmal lachen zu sehen, meine Liebe«, sagte Charles Lennox.
    Kitty wurde sich bewusst, dass er recht hatte. Nach Verlassen der »Rose Tavern« waren sie an Philip-im-Kübel vorbeigekommen, der unter dem Fenster eines Kaufmanns eine Ballade über dessen betrügerische Machenschaften zum Besten gab. Das Schmählied war so geistreich und witzig geschrieben und Philips Darbietung so drollig, dass Kitty stehen geblieben und in ein amüsiertes Lachen ausgebrochen war.
    Die ersten Monate nach Pollys Tod hatte sich die junge Frau in sich selbst zurückgezogen, um mit dem Verlust ihrer Freundin fertig zu werden. Sie kam auch mit den anderen Mädchen in Mutter Grimshaws Haus gut aus, aber Polly war eine Seelenverwandte gewesen, wie man sie nur selten findet. Ihr hatte sich Kitty ganz anvertraut, ihr hatte sie ihre tiefsten Gefühle offenbart. Die Lücke, die das Mädchen hinterließ, würde sich nur schwer schließen lassen.
    Die Arbeit lenkte Kitty ab. Neben den Freiern, die sie aufsuchten, um sich züchtigen oder demütigen zu lassen, besaß sie weiterhin eine überschaubare Anzahl ausgesuchter Verehrer, wie die Herzöge

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