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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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lassen.
    Nachdenklich schloss Kitty das Buch und stellte es zu den anderen zurück. Am vergangenen Abend hatte Polly ihr mitgeteilt, dass sie weiterhin entschlossen war, ihr Kind loszuwerden. Kitty hatte zugesagt, einen Blick in Mutter Grimshaws Kräuterbuch zu werfen. Als sie mit Polly in ihrer gemeinsamen Kammer allein war, berichtete Kitty ihr, was sie herausgefunden hatte.
    »Gleich morgen gehe ich zum Apotheker und besorge das Nötige«, meinte Polly.
    »Ach Liebes, ich wünschte, du würdest dein Kind nicht töten wollen.«
    »Bitte mach es mir nicht noch schwerer! Wie soll ich den Mut aufbringen, wenn du mir nicht beistehst? Ich habe doch keine andere Wahl.«
    Kitty senkte den Kopf. »Ich weiß.«
    Ein lastendes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Schließlich ertrug es Kitty nicht länger.
    »Geh zu einem Apotheker in St. Giles oder Charing Cross, wo dich niemand kennt. Am besten, du kaufst Beifuß und Muskatblüten getrennt.«
    »Ja, das werde ich«, sagte Polly. »Danke.«
    Polly versteckte den Beifußwein im Kamin in ihrer Kammer und nahm regelmäßig morgens und abends ein paar Schlucke von dem Gebräu. Nach einigen Tagen klagte sie über Bauchschmerzen, doch der erhoffte Erfolg blieb aus. Als der Wein aufgebraucht war, ohne dass es zu einer Blutung kam, geriet Polly in Verzweiflung.
    »Was soll ich nur tun?«, jammerte sie.
    Kitty nahm sie in die Arme und wiegte sie tröstend. »Vielleicht ist es Gottes Wille, dass du dieses Kind behältst.«
    »Ist es dann auch der Wille Gottes, dass ich bald auf der Straße sitzen werde, wenn sich mein Zustand nicht länger verbergen lässt?«, brauste Polly auf. Ihre Nerven lagen blank.
    »Hast du Will gesagt, dass du das Kind loswerden willst?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Meinst du nicht, er hat das Recht, es zu erfahren?«
    »Ich kann es nicht behalten, verstehst du das nicht?« In ihrer Erregung sprang Polly vom Bett, auf dessen Rand sie gesessen hatte. »Ich werde schon einen Weg finden, ob mit oder ohne deine Hilfe«, rief sie und stürmte hinaus.
    Kitty blieb ratlos zurück. Sie wollte ihrer Freundin helfen, doch zugleich war sie überzeugt, dass diese einen schweren Fehler beging, wenn sie ihre Schwangerschaft beendete. Natürlich war ein Kind eine Belastung, aber es machte auch viel Freude und gab ihrem Dasein erst einen Sinn.
    Sie musste handeln. Rasch warf sich Kitty ihren Umhang über und verließ das Haus. Der Spätsommer zeigte sich von seiner schönsten Seite. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel herab. Bald bereute Kitty, dass sie keinen Hut aufgesetzt hatte, um ihre Haut vor den bräunenden Strahlen zu schützen. Doch es gab kein Zurück mehr.
    Vor einem schäbigen kleinen Schuhmacherladen blieb sie stehen. Polly hatte ihr erzählt, wo Will arbeitete, aber Kitty hatte den Gesellen bisher nicht kennengelernt. Zögernd öffnete sie die Tür und trat ein. Ein junger Mann mit blondem Haar saß über einem auf eine Leiste gespannten Rohling und brachte ihn mit dem Griff seiner Ahle in Form. Er hob den Kopf und richtete einen freundlichen Blick aus blauen Augen auf sie. Als sie ihn nur schweigend anstarrte, stand er von seinem Schemel auf und näherte sich ihr. Er war hochgewachsen und von ansehnlichem Äußeren. Kitty konnte gut verstehen, weshalb sich Polly in ihn verliebt hatte.
    »Kann ich Euch behilflich sein, Madam?«, fragte er und betrachtete sie bewundernd.
    Aus dem hinteren Bereich des Ladens rief eine Stimme: »Ist das Mr. Webster wegen seiner Stiefel, Will?«
    »Nein, Meister«, rief der Geselle und wandte sich wieder Kitty zu.
    »Kann ich einen Moment unter vier Augen mit Euch sprechen?«, bat die junge Frau. »Es geht um Polly.«
    Wills Miene wurde ernst und besorgt. »Was ist mit ihr?« Unschlüssig blickte er zu seinem Meister hinüber und zog sie dann in eine Ecke neben der Tür. »Seid Ihr Pollys Freundin? Sie hat viel von Euch erzählt.«
    »Von Euch ebenfalls«, entgegnete Kitty, die sofort auf den Punkt kam. »Ich fürchte, sie ist im Begriff, eine Dummheit zu begehen.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Sie hat sich entschieden, das Kind, das sie erwartet, abzutreiben.«
    »Was? Aber ich habe ihr versprochen, sie zu heiraten. Wir wollten es zusammen aufziehen …« In seiner Erregung hatte er die Stimme erhoben, senkte sie jedoch gleich wieder, damit sein Meister ihn nicht hörte. »Ich verstehe schon. Ich bin ein Habenichts, der nicht in der Lage ist, für eine Familie zu sorgen. Sie zieht es vor, sich weiterhin an

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