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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Eingangshalle, wo sie auf Meister Hearne traf.
    »Wo ist er?«, fragte Kitty.
    »Gegangen.«
    »Aber warum nur?«
    »Er glaubt, dass es nach dem Tod Eurer Tochter nichts mehr gibt, was Euch beide verbindet. Ihr seid jetzt eine reiche Geschäftsfrau«, erklärte der Wundarzt.
    »Und eine Hure!«, stieß sie bitter hervor. »Er kann den Gedanken nicht ertragen, dass ich mich anderen Männern hingegeben habe.«
    Meister Hearne schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht. Ich denke, das hat er Euch verziehen. Er weiß, dass Ihr damals keine andere Wahl hattet, um Euch und Eure Tochter vor dem Untergang zu retten. Doch Ihr lebt mit einem Mann zusammen, dem man deutlich ansieht, dass er Euch liebt, und den Ihr vermutlich ebenso liebt. Falls Ihr vorhabt, Mr. Drake zu heiraten, wird Euch Mr. Gascoyne nicht im Wege stehen. Sieben Jahre nach seinem Verschwinden könnt Ihr ihn für tot erklären lassen. Dann seid Ihr frei, eine neue Ehe einzugehen.«
    »Wie großzügig von ihm«, meinte Kitty sarkastisch.
    »Es könnte auch früher dazu kommen. Schließlich ist Mr. Gascoyne ein flüchtiger Verbrecher. Wer in die Kolonien deportiert wird und vor Ablauf seiner Strafe nach England zurückkehrt, wird, sollte er aufgegriffen werden, ohne Prozess hingerichtet.«
    Den Rest des Tages verbrachte Kitty wie eine Schlafwandlerin. Sie bemerkte nicht, dass Sam ihr beharrlich aus dem Weg ging und es beim Nachtmahl vermied, ihrem Blick zu begegnen.
    Als Kitty kurz nach Mitternacht ihr gemeinsames Schlafgemach betrat, war die Kammer verlassen. Verwirrt rief sie nach ihrer Zofe.
    »Charlotte!«
    Noch angekleidet, jedoch sichtlich übermüdet, eilte das Mädchen die Treppe zum Dachgeschoss herab, in dem ihre Kammer lag.
    »Ja, Madam?«
    »Wo ist Mr. Drake?«
    Verlegen senkte Charlotte den Blick auf ihre Hände. »Mr. Drake hat mich angewiesen, das Bett in der freien Dachkammer herzurichten, Madam.«
    Kitty seufzte tief. »Danke, Charlotte. Warte in meinem Gemach. Ich bin gleich zurück.«
    Mit schweren Schritten stieg sie die Stufen ins Dachgeschoss hinauf und betrat die bescheidene Mansarde, die von einer einzelnen flackernden Kerze erhellt wurde. Neben der einfachen Bettstatt stand Sam, bis aufs Hemd entkleidet, und schüttelte das frisch bezogene Kissen auf. Als er ihre Schritte vernahm, wandte er sich um und sah sie mit ernster Miene an.
    »Du willst hier oben schlafen? Weshalb?«, fragte Kitty naiv.
    »Dein Mann ist zurückgekehrt. Ich habe kein Recht mehr, das Bett mit dir zu teilen.«
    »Aber das ist nicht wahr!«, widersprach sie. »Ich brauche dich!«
    Mit einem sanften Lächeln trat er näher und legte zärtlich die Hände auf ihre Arme. Doch er zog sie nicht an sich, sondern sah ihr eindringlich in die Augen.
    »Ich mache dir keine Vorwürfe. Ich weiß, du hast nicht erwartet, dass er jemals zurückkehren würde, als du mir angeboten hast, mit dir zu leben. Doch ich habe gesehen, dass du ihm am liebsten um den Hals gefallen wärst, als er so unvermutet vor dir stand. Du liebst ihn noch immer und du hast mich nie geliebt … zumindest nicht mit derselben Leidenschaft. Du brauchst Zeit, um dir über deine Gefühle klarzuwerden. Solange schlafe ich hier oben.«
    Seine Stimme klang entschlossen. Kitty begriff, dass jeglicher Widerspruch zwecklos war. Bedrückt wandte sie sich ab und kehrte in ihr Gemach zurück. Doch es dauerte lange, bis sie endlich in unruhigen Schlaf fiel.

39
    Hast du schon gehört? Jack Sheppard ist völlig betrunken in Mr. Campbells Ginladen gegenüber der ›Rose and Crown‹ auf der Drury Lane aufgegriffen worden«, berichtete der Lakai John der Küchenmagd.
    »Weshalb hielt er sich denn noch in London auf?«, fragte das Mädchen ungläubig. »Warum ist er nicht in eine andere Stadt geflohen?«
    »Ein Londoner kann halt nur in seiner Heimatstadt gedeihen«, erklärte John überzeugt. »Wenn man ihn verpflanzt, geht er ein.«
    »Na, am Dreibein wird er jedenfalls nicht gedeihen«, meinte die Magd sarkastisch.
    »Das kannst du nicht verstehen«, erwiderte der Lakai hochmütig. In seiner Stimme schwang der Stolz des Cockneys. »Du stammst aus Hampshire.«
    Kitty, die den Wortwechsel der Dienstboten mit angehört hatte, musste lächeln. Sie war dabei, die Vorräte in der Speisekammer zu prüfen, nachdem sie den Morgen damit verbracht hatte, die Weißwäsche zu zählen und die Bücher, die in bester Ordnung waren, ein weiteres Mal durchzugehen. Fast verzweifelt stürzte sie sich in die Arbeit, um ihre Gedanken in andere

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