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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Stich ins Herz, und ihren Lippen entschlüpfte ein schmerzvolles Wimmern.
    »Daniel!«
    Mit großen Schritten eilte sie auf ihn zu. Doch der Impuls, sich in seine Arme zu werfen, wich rasch der angestauten Wut über seinen Verrat, und sie versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
    »Wie kannst du es wagen, mir unter die Augen zu treten?«, schrie sie erbost. »Du Schuft! Du verdammter Bastard.«
    Ihre Augen funkelten ihn zornig an. Doch er stand nur da und machte keinen Versuch, sich zu verteidigen.
    »Madam.« Meister Hearne trat beschwichtigend näher. »Ich weiß, Ihr glaubtet all die Jahre, dass Mr. Gascoyne Euch verlassen habe. Aber das ist nicht wahr. Ihr solltet ihn anhören. Dann werdet Ihr verstehen.«
    Zwischen Zorn und Hoffnung hin- und hergerissen, nickte Kitty schließlich. Meister Hearne lächelte ihr zu und zog sich zurück. Sam und Lucy, die an der Tür standen und das Geschehen mit erstaunter Miene verfolgt hatten, schob der Wundarzt gebieterisch aus dem Gemach. Dann schloss er die Tür.
    Mit zitternder Hand fuhr sich Kitty über die Stirn und ließ sich auf ein Sofa sinken. Da Daniel weiterhin schwieg, wandte sie den Kopf und sah ihn an. Die vergangenen vier Jahre hatten deutliche Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Zuerst hatte sie gedacht, es sei die Sonnenbräune, die ihn älter aussehen ließ, doch nun bemerkte sie, dass sich unzählige kleine Fältchen um seine Augen und seine Mundwinkel zogen. Auch der spitzbübische Ausdruck, mit dem er sie damals bei ihrer ersten Begegnung für sich eingenommen hatte, war aus seinen Zügen verschwunden. Die Kleider schlotterten um seinen abgemagerten Körper, und an seiner rechten Hand fehlten zwei Finger. Ihre Wut verrauchte. Angesichts seines erbarmungswürdigen Zustands empfand sie nur noch Mitgefühl und Traurigkeit.
    »Was ist geschehen?«, fragte sie.
    Es fiel Daniel sichtlich schwer, einen Anfang zu finden.
    »Ich hatte unsere Ehe auf einer Lüge aufgebaut und büßte dafür«, sagte er zerknirscht. »Ich hätte dir reinen Wein einschenken und dir beichten sollen, welche Rolle ich beim Tod deines Bruders gespielt hatte, dass ich selbst für den Raub verantwortlich war, für den man Thomas verurteilte. Ich war ein Feigling. Ich wusste, dass du mir nie verzeihen würdest, dass ich dich verlieren würde, wenn ich dir alles gestand. Es war einfacher, zu schweigen.«
    Er trat vom Fenster zu einem der Polsterstühle, die ihr gegenüberstanden, und ließ sich daraufsinken.
    »Ist das der Grund, weshalb du mich verlassen hast?«, fragte Kitty. »Weil du dich schuldig fühltest?«
    Entsetzt sah er sie an. »Ich habe dich nicht verlassen! Hast du meine Nachricht nicht bekommen? Darin hatte ich dir alles erklärt.«
    »Ich habe keine Nachricht erhalten.«
    »Ich vertraute Susannah einen kurzen Brief an dich an und bat sie, ihn dir zu bringen.«
    Kittys Augen weiteten sich bestürzt. Abrupt fuhr sie auf und schritt erregt auf und ab.
    »Als du nicht zurückkamst, suchte ich Susannah im Newgate auf und fragte sie, ob sie wüsste, wo du bist«, berichtete sie. »Sie versuchte, mir weiszumachen, dass ich dir zur Last geworden war und dass du mich und mein Kind deshalb sitzenlassen hattest.«
    »Allmächtiger Gott!«, entfuhr es Daniel. »Sie hat uns beide belogen. Mir versicherte sie, dass sie dir meine Nachricht übergeben hätte, dass du mich aber nicht sehen wolltest. Daraufhin schickte ich über einen der Schließer ein zweites Schreiben. Doch du warst bereits aus der Wohnung in Clerkenwell ausgezogen, und die Vermieterin wusste nicht, wohin du gegangen warst.«
    »Schließer? Du warst im Gefängnis?«
    Daniel nickte. » Er hatte mich hereingelegt. Ich hatte Glück, dass man mich keines Kapitalverbrechens für schuldig befand, sonst wäre ich gehenkt worden. Aber es ist wohl besser, wenn ich dir alles von Anfang an erzähle.«
    Kitty kehrte zum Sofa zurück und setzte sich wieder.
    »Du erinnerst dich«, fuhr Daniel fort, »es war Winter, und wir brauchten Geld für die Kohle. Ich hätte mir eine anständige Arbeit suchen müssen, aber ich hatte nichts anderes gelernt, als zu stehlen. Als ich damals von Southampton nach London zog, musste ich sehr schnell erkennen, dass ein Dieb, der unabhängig sein will, unweigerlich die Feindschaft Jonathan Wilds auf sich zieht. Man arbeitet für ihn oder man baumelt früher oder später am Galgen. Auch mir blieb keine Wahl, als in seine Dienste zu treten. Ich war geschickt genug, dass Wild mich lange Zeit schützte, wie

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