Die Kurtisane des Teufels
Er konnte nicht für dich sorgen, als du ihn brauchtest. Glaubst du tatsächlich, dass es eine Zukunft für euch geben wird?«
»Das spielt doch jetzt keine Rolle«, sagte Kitty abwehrend. »Daniel ist in Gefahr.«
»Was willst du tun?«, fragte Sam zweifelnd.
»Ich weiß nicht. Meister Hearne bat mich, auf Nachricht von ihm zu warten. Aber wie kann ich untätig dasitzen, während sie Daniel ins Gefängnis werfen!«
»Warte wenigstens bis morgen früh«, beschwor sie der Hüne. »Wenn wir bis dahin nichts von Meister Hearne gehört haben, begleite ich dich nach Covent Garden.«
Nach kurzem Zögern nickte Kitty zustimmend. »Danke, Sam. Das werde ich dir nicht vergessen.«
Als sie sich erhob, nahm er ihre Hand und zog sie in seine Arme. Sie ließ es widerstandslos geschehen.
Das untätige Warten wurde für Kitty zur Qual. Es war wie damals vor vier Jahren, als Daniel verschwunden war und sie sich so hilflos gefühlt hatte. Am späten Abend klopfte John an die Tür zu Kittys Gemach. Die junge Frau saß bereits im Schlafrock an ihrem Toilettentisch und ließ sich von Charlotte das Haar bürsten.
»Madam, Meister Hearne ist da«, verkündete der Lakai aufgeregt. »Und er hat den Besucher bei sich, der schon einmal hier war.«
»Daniel!«, entfuhr es Kitty erleichtert.
Sie sprang vom Stuhl auf und eilte in Pantoffeln die Treppe in die Eingangshalle hinab. Ihr Herz klopfte zum Zerbersten, als ihr Blick auf Daniel fiel, der sich auf Meister Hearnes Arm stützte. Sein Gesicht war übel zugerichtet, und er hielt die Hand schützend auf den Unterleib gepresst. Doch als er sie im Schlafrock und mit aufgelöstem Haar auf sich zustürzen sah, lächelte er und sagte bewundernd: »Wie schön du bist …«
Mit Tränen in den Augen nahm Kitty behutsam sein wundes Gesicht zwischen die Hände.
»Was hat man dir angetan?«
»Er wurde brutal zusammengeschlagen«, erklärte Meister Hearne. »Wenn Ihr mir Wasser, Leinentücher und Branntwein bringen lassen würdet, Madam …«
»Natürlich.« Kitty gab John entsprechende Anweisungen und ging den beiden Männern in den Salon voraus. Kurz darauf erschien auch Sam.
Während Meister Hearne Daniels Wunden mit Branntwein auswusch und Brust und Bauch nach gebrochenen Rippen und inneren Verletzungen abtastete, betrachtete Kitty schmerzlich den abgemagerten und von alten Narben übersäten Körper ihres Mannes. Man hatte ihn auf der Plantage wie einen Sklaven behandelt und ihn vermutlich wegen der kleinsten Verfehlung geschlagen. Es war ein Wunder, dass die Misshandlungen Daniel nicht an Leib und Seele gebrochen hatten, aber sie hatten ihn zweifellos verändert. In Kittys Herzen regte sich erneut der Hass auf denjenigen, der Daniels und ihr Unglück verschuldet hatte.
»Wie ist es dir gelungen, zu entkommen?«, fragte Kitty, als Daniel sich sein Hemd wieder übergestreift hatte. Sie goss Wein aus einer Karaffe in ein Glas und reichte es ihm.
»Ich bin nicht entkommen«, antwortete Daniel zynisch. »Wild hat mich gehen lassen.«
Als er Kittys erstaunten Blick bemerkte, stieß er ein bitteres Lachen aus.
»Weiß Gott, es ist nur eine Galgenfrist. Nicht zum ersten Mal nutzt Wild die uneingeschränkte Macht, die er über zurückgekehrte Deportierte besitzt, zu seinem Vorteil aus. Er wird mich so lange zwingen, für ihn zu stehlen, bis ich nicht mehr von Nutzen für ihn bin. Dann liefert er mich der Justiz aus, kassiert die Belohnung und sieht befriedigt zu, wie ich gehenkt werde. Ein vorzügliches Geschäft für den ›aufrichtigen‹ Jonathan!«
Kitty ballte verzweifelt die Fäuste. »Aber es muss doch etwas geben, was wir tun können!«
Hilflos sahen die beiden Männer sie an.
»Ich werde meinen Anwalt um Rat bitten«, entschied Kitty. »Vielleicht weiß er einen Ausweg.«
Trotz Kittys Bitten, ihre Gastfreundschaft anzunehmen, bestand Daniel darauf, mit Meister Hearne nach Covent Garden zurückzukehren.
»Es war bereits ein Wagnis, überhaupt hierherzukommen«, gab Daniel zu bedenken. »Wenn Wild erfährt, dass ich hier war, bist auch du in Gefahr. Aber ich wollte dich unbedingt sehen … Wer weiß, wie viel Zeit mir noch bleibt.«
Sein Blick suchte den ihren und hielt ihn fest. Kitty spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Sie lächelte, und für einen Moment waren sie beide ganz allein. Als sie sich schließlich abwandte, bemerkte sie den Ausdruck der Eifersucht auf Sams Gesicht. Brüsk trat er Daniel in den Weg.
»Ihr habt es selbst gesagt, Sir. Eure Anwesenheit
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