Die Kurtisane des Teufels
Snow Hill überging, und folgte diesem bis zur Cock Lane. Nun, da es zunehmend dunkler wurde, musste sich Kitty in der schmalen Gasse an den vom Kerzenschein erhellten Fenstern der Häuser orientieren. Ein Großteil der Leute schien sich bereits in die schützenden vier Wände zurückgezogen zu haben, denn die Gasse lag düster und verlassen vor ihr. Kitty schmiegte sich enger in ihren Umhang und ging beherzt weiter. In der Ferne vernahm sie die Geräusche der Stadt: Räderrollen, Hufgetrappel, den Ruf des Nachtwächters, der seinen Dienst antrat. Ein mulmiges Gefühl begann mit einem Mal, sich in ihrem Magen auszubreiten. Der Weg bis zu Mistress Speerings Haus erschien ihr unendlich lang, und wie in einem Alptraum hatte sie das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Schritte näherten sich ihr. Als sie sich umwandte, um zu sehen, wer es war, legte sich plötzlich eine Hand um ihren Arm und stieß sie in eine dunkle Durchgangspassage. Ein unangenehmer Geruch nach Schweiß und faulen Zähnen drang ihr in die Nase. Im Licht einer Kerze im Fenster über ihr blitzte kurz die Klinge eines Messers auf, und im nächsten Moment fühlte sie kaltes Metall an der Kehle. Vor Angst wie gelähmt stand sie regungslos da, während sich eine kräftige Hand um ihren Unterkiefer legte und sie zwang, ihrem Angreifer ins Gesicht zu blicken.
»Lass dich ansehen, mein Täubchen«, zischte der Mann zwischen seinen schadhaften Zähnen hindurch. »Hm, deine Haut ist frisch wie ein Pfirsich. Ich schätze, dich hat wohl noch keiner gepflückt«, fuhr er lüstern fort. »Einem so hübschen Ding die Kehle durchzuschneiden, ohne es ein wenig durchzupflügen, wäre reine Verschwendung.«
Kitty wurde der Sinn seiner Worte erst klar, als sich die Spitze der Messerklinge zwischen ihre Brüste senkte und die Schnüre ihres Mieders durchschnitt. Brutal zerrte der Unbekannte den rechten Träger über ihre Schulter, zerriss ihr Leinenhemd und packte die hervorquellende Brust so fest, dass es ihr weh tat.
»Bitte …«, stieß sie hervor. »Lasst mich …«
Ihre Hand, mit der sie schützend ihre Blöße bedecken wollte, schob er grob herunter.
»Ich lass dich, wenn ich mit dir fertig bin«, grollte der Mann. »Wenn du gefügig bist, überlege ich es mir vielleicht noch mal und schlitze dich nicht auf. Also überleg’s dir.«
Kitty war unfähig, zu begreifen, was er meinte. Sie fühlte nur den Schmerz ihrer malträtierten Brust und die erstickende Nähe des männlichen Körpers, der sie gegen die Wand presste, so dass sie kaum atmen konnte. Der Wüstling war etwa so groß wie sie. Als er sich noch stärker an sie drängte, fühlte sie durch seine Kniehose hindurch sein hartes Glied an ihrem Unterleib und versuchte, sich seinem Griff zu entwinden.
»Halt still, Miststück!«, knurrte der Mann wütend und schwenkte das Messer vor ihren Augen, um sie daran zu erinnern, was sie erwartete, wenn sie sich weiter sträubte.
Kitty war vor Angst dem Ersticken nahe. Tränen sammelten sich in ihren Augen, als sie spürte, wie seine rauhe Hand unter ihre Röcke fuhr, ihre nackten Schenkel streifte und sich kurz darauf ein Finger in ihre Scheide bohrte.
»Du sprudelst wie eine läufige Hündin, Flittchen«, höhnte der Wüstling, und ein breites Grinsen offenbarte erneut sein mangelhaftes Gebiss.
Für einen Moment ließ er das Messer sinken, um seine Kniehose aufzuknöpfen. Da nahm Kitty all ihren Mut zusammen und stieß ihn mit beiden Händen von sich.
»Verdammte Metze!«, entfuhr es dem Mann überrascht. Doch er brauchte nicht lange, um sich zu fassen. Noch ehe sie sich an ihm vorbeidrängen konnte, stach er mit dem Messer zu. Kitty spürte einen Schlag gegen die linke Brustseite und kurz darauf einen stechenden Schmerz. Sie schrie. Ein weiteres Mal holte der Schurke aus, doch bevor er zustoßen konnte, fiel ihm jemand von hinten in den Arm, drehte ihm das Handgelenk um, bis das Messer klirrend zu Boden fiel, und trat ihm mit solcher Wucht gegen die Kniekehlen, dass seine Beine widerstandslos einknickten.
Jemand ergriff Kittys Hand und zerrte sie aus der Passage auf die Cock Lane hinaus.
»Kommt! Wir müssen weg, bevor sich der Kerl aufraffen kann«, drängte Daniel Gascoyne.
Willenlos ließ sie sich mitziehen, unfähig, zu begreifen, was mit ihr geschah. Ihre Beine bewegten sich mechanisch, mitgerissen von Daniels energischer Entschlossenheit. Als sie das Ende der Cock Lane erreicht hatten, hielt der junge Mann kurz inne, um zu sehen, ob der Messerstecher
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