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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Euch, Madam … Gott segne Euch.«
    Beklommen trat Kitty durch die offen stehende Tür des Gefängnisses und fand sich in der Pförtnerloge wieder. Ein bärtiger Mann, der an einem Schreibpult über einem dicken Buch saß, musterte die Schwangere aufmerksam von Kopf bis Fuß.
    »Was kann ich für Euch tun, Madam?«, fragte er aufmunternd, starrte sie dabei aber weiterhin unverschämt an.
    »Ich möchte eine Gefangene besuchen«, bat Kitty und versuchte, ihrer Stimme einen Ton von Entschlossenheit zu verleihen. »Ihr Name ist Susannah Harker.«
    Der Schließer nickte. »Wie könnte ich die vergessen? Eine wahre Megäre! Sie befindet sich im zweiten Stock, in der ›Waterman’s Hall‹. Wenn Ihr zu ihr wollt, kostet Euch das einen Schilling sechs Pence Eintritt. Dazu kommen noch sechs Pence für den Schließer, der Euch den Weg leuchtet, und fünf Pence Trinkgeld.«
    Das machte zusammen zwei Schillinge fünf Pence, fast so viel wie eine Woche Mietzins, dachte sich Kitty. Ihr Geld schmolz beständig dahin, ohne dass sie es verhindern konnte. Aber dies war ein Grund mehr, Daniel schnellstmöglich wiederzufinden.
    Zähneknirschend bezahlte sie, was der Schließer verlangte. Daraufhin stieß dieser einen Pfiff aus, der einen jungen Burschen herbeiholte.
    »Bring die Dame zur ›Waterman’s Hall‹, Dick«, befahl der Pförtner. »Sie will Susannah Harker besuchen.«
    Mit einem ironischen Lächeln verbeugte sich Dick und streckte einladend die Hand aus.
    »Wollet mir folgen, Madam.«
    Sie ignorierte seine Dreistigkeit und ging schweigend hinter ihm her, wie gebannt von der unheimlichen Atmosphäre des Kerkers. Zu dem Gestank gesellte sich nun auch ein ohrenbetäubender Lärm, ein seltsames metallisches Knirschen und Schaben, das durch die dicken Steinmauern drang.
    »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte Kitty erschauernd.
    »Das sind die Ketten, die die Gefangenen über den Boden schleifen«, erklärte der Bursche grinsend. »Manche haben eine ziemlich schwere Last zu schleppen, müsst Ihr wissen.«
    »Weil sie gefährlich sind?«, erkundigte sich Kitty naiv.
    »Nein, weil sie kein Geld haben, um leichtere Ketten zu bezahlen«, war die ernüchternde Antwort.
    Sie durchquerten einen geräumigen Saal, in dem sich Besucher unter die Gefangenen mischten. Kitty sah mehrere Männer an einem groben Tisch dem Würfelspiel nachgehen. Ein Familienvater schloss seine Frau und vier Knirpse in die Arme. Ein magerer Bursche streckte seine knochigen Finger nach dem Geldbeutel eines Handwerkers aus, der einem Freund eine warme Mahlzeit aus einer Garküche brachte. Und ein Häftling, der wie ein Gentleman gekleidet war, drückte zwei leicht bekleidete Frauen an sich und küsste die Brüste, die aus ihrem Mieder quollen. Mit großen Augen blickte sich Kitty um. So musste es im biblischen Sodom und Gomorrha zugegangen sein. Welch schrecklicher, höllischer Ort! Auf einmal überkam sie Mitleid mit Susannah.
    Von dem großen Saal führte eine Treppe in die oberen Stockwerke. Das Gefühl der Beklemmung, das auf der jungen Frau lastete, vertiefte sich, je weiter sie ins Innere der düsteren Gruft vordrangen. An den Wänden brannten Fackeln in eisernen Haltern, da kaum ein Lichtstrahl durch die meist schmalen Fenster drang. Manche waren kaum größer als Schießscharten, aber dennoch mit Gittern versehen. Tabakqualm hing unter den Decken wie zerfasernder Nebel, vermochte den Kloakengeruch aber nicht zu überdecken. Unter Kittys Füßen knisterte es unheimlich. Das Talglicht ihres Führers reichte jedoch nicht bis zum Boden hinab, so dass sie nicht sehen konnte, was auf den glitschigen Steinquadern herumkrabbelte.
    »Ist es noch weit?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Ihre Kräfte schwanden, und ihre Entschlossenheit geriet ins Wanken.
    »Nur noch diese Treppe hoch«, sagte Dick mit einem besorgten Blick auf ihre Leibesfülle. »Soll ich Euch stützen?«
    »Nein, es geht schon«, wehrte Kitty ab.
    Auf der oberen Stufe hielt sie keuchend inne, nahm sich aber sogleich zusammen und folgte ihrem Führer in den Raum, der sich vor ihnen öffnete. Der Gestank war hier so unerträglich wie überall in dem Gefängnis. Durch ein kleines Fenster fiel nur dürftiges Tageslicht. Der Boden bestand aus Holzbohlen. Es gab weder einen Kamin noch Pritschen oder Hängematten. Die Frauen, die hier untergebracht waren, lagen auf faulenden Strohschütten und besaßen nicht einmal Decken, um sich vor der Kälte zu schützen.
    Kitty bat Dick, an der Tür auf sie

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