Die Kurtisane des Teufels
unangenehme Pflicht nicht herumkam.
»Nun, Reverend Hinde hat mich ermahnt, Euch die Tür zu weisen, Madam. So leid es mir tut, Euch in diesem Zustand auf die Straße zu setzen, mir bleibt keine andere Wahl.«
Als Kitty sie verständnislos ansah, fügte sie erklärend hinzu: »Dem Herrn Pfarrer ist daran gelegen, dass Ihr seinen Sprengel verlasst, bevor Euer Kind geboren ist, damit Ihr der Gemeinde nicht zur Last fallt. Denn ist es erst einmal auf der Welt, hat es ein Anrecht auf Unterstützung und kann nicht mehr abgeschoben werden.«
Daran hatte Kitty bisher gar nicht gedacht. Sie bemerkte den forschenden Blick der Hauswirtin und erriet, was diese dachte. Mistress Cox glaubte, dass sie und Daniel nicht verheiratet waren und dass sie einen Bastard zur Welt bringen würde, um ihn dann dem Kirchspiel aufzubürden. Auf einmal fühlte sich die junge Frau wie eine Aussätzige.
»Keine Sorge. Ich gehe«, sagte sie mit einem tiefen Seufzer. »Ich wollte mir ohnehin eine billigere Unterkunft suchen.«
»Geht nach St. Giles«, riet die Witwe mit plötzlicher Wärme, aus der die Erleichterung darüber sprach, dass sie die unbequeme Mieterin ohne Geschrei und Gezänk loswurde. »Dort kann man preisgünstig wohnen.«
Kitty durchschaute sie und dankte ihr mit unverhohlener Kühle. Allein geblieben, begann sie mechanisch, ihre Kleider in ihre Reisetruhe zu packen. Die Milchmagd erschien und präsentierte ihre Hälfte des Kerbholzes, als sie hörte, dass ihre Kundin fortzog. Schließlich musste Kitty auch noch dem Kohlehändler die Rückstände bezahlen. Danach blieb nicht mehr viel Geld übrig. Wenn sie sparsam war, gelang es ihr vielleicht, mit dem Rest bis zur Geburt ihres Kindes über die Runden zu kommen. Was sie danach anfangen sollte, wusste nur Gott.
Da sie ihre Reisetruhe nicht tragen konnte, war sie gezwungen, eine Mietkutsche anzuhalten. Der Fahrer war ein freundlicher Bursche, und so fragte sie ihn, ob er sich in St. Giles auskenne und ihr dort eine billige Bleibe empfehlen könne.
»O ja, auf der Hog Lane gibt es eine Menge Häuser, in denen Ihr eine kleine Kammer für wenig Geld mieten könnt, falls Ihr keine hohen Ansprüche an Bequemlichkeit und Sauberkeit habt.«
»Dann bringt mich dorthin«, bat Kitty.
Ohne noch einmal zurückzublicken, ließ sie Clerkenwell hinter sich, wo sie für kurze Zeit so glücklich gewesen war. Der Hackney fuhr über den Clerkenwell-Anger, bog in den Saffron Hill ein und kurze Zeit später in den Holborn. Dann ging es den High Holborn entlang nach St. Giles. Die Hog Lane war eine schmale Gasse mit alten Häusern, teils aus Fachwerk, teils aus Ziegeln gebaut. Der Kutscher hielt vor einem etwas heruntergekommenen Backsteinhaus, dessen rußgeschwärzte Fassade sich über drei Stockwerke erhob.
»Die Wirtin heißt Symons«, informierte er seinen Fahrgast. »Ich wünsche Euch viel Glück.«
Kitty bezahlte ihn und zog ihre Reisetruhe die wenigen Stufen zur Haustür hinauf. Auf ihr Klopfen öffnete eine Frau mittleren Alters, die einen Säugling auf dem Arm trug, während ein etwa dreijähriges Mädchen mit triefender Nase an ihrem Rockzipfel hing.
»Seid Ihr Mistress Symons?«, erkundigte sich Kitty.
Die Hauswirtin nickte. »Sucht Ihr eine Bleibe?«
»Ja.«
Kritisch musterte Mistress Symons zuerst ihren gewölbten Bauch und dann den Ring an Kittys linker Hand.
»Wo ist Euer Gatte?«, fragte sie geradeheraus.
»Er hat mich verlassen, der Taugenichts«, antwortete das Mädchen bitter.
»Also gut. Ich will Euch glauben, dass Ihr tatsächlich verheiratet seid.«
»Ich schwöre Euch …«
»Ja, schon gut. Ihr sucht eine Kammer? Zur Zeit habe ich nur den Keller frei. Aber er ist geräumig. Wenn Ihr ihn sehen wollt, Madam?«
Kitty stimmte zu. Daraufhin führte die Wirtin, noch immer beschwert mit den zwei Kindern, sie vom Bürgersteig aus eine schmale Treppe unter das Straßenniveau, schloss eine Tür auf und trat in einen düsteren Raum, dessen hinteren Bereich man trotz des Tageslichts, das hereinfiel, nicht erkennen konnte. Es roch nach Feuchtigkeit und Schimmel. Angesichts der bedrückenden Unterkunft überkam Kitty ein Gefühl tiefer Niedergeschlagenheit. Hatte sie die blühenden Wiesen und Felder ihrer Heimatstadt verlassen, um ein Dasein in einem muffigen Kellerloch zu fristen?
»Der Mietzins beträgt achtzehn Pence die Woche«, sagte die Hauswirtin mit einer einladenden Geste, als preise sie eine behagliche Stube an.
Entschlossen schüttelte Kitty den Kopf. »Das ist
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