Die Kurtisane des Teufels
hergeführt.«
»Glaubst du, der Anblick könnte dem Kind geschadet haben?«, fragte Kitty ängstlich.
»Nein, bestimmt nicht«, widersprach er überzeugt, um ihr die abergläubische Furcht zu nehmen.
»Ich bin müde, und mir ist kalt«, murmelte die junge Frau erschauernd. »Lass uns heimgehen.«
Daniel nickte zustimmend. Es war der Tag nach dem Dreikönigsfest. Bis Weihnachten war der Winter mild und der Himmel klar gewesen, doch dann hatte es auf einmal einen Kälteeinbruch gegeben, und dunkle Wolken ließen ihre weiße Schneelast auf London niederfallen.
In ihrer Unterkunft in der Sutton Street machte sich Daniel sogleich daran, das Feuer im Kamin zu schüren, damit sich Kitty an den Flammen wärmen konnte.
»Wir brauchen bald wieder Kohle«, sagte er, während er eine Schaufel voll auf das eiserne Gitter schüttete. »Seit dem Wintereinbruch ist Kohle teurer geworden. Inzwischen wird sie für vierzehn Pence der Scheffel verkauft.«
»Können wir uns das leisten?«, fragte Kitty besorgt.
»Es wird schon gehen«, beschwichtigte er sie. »Ich werde eben mehr arbeiten müssen.«
In den letzten Wochen hatte Daniel sie bereits öfter allein gelassen, um seinem Freund bei dessen Geschäften zu helfen, so dass Kitty die Aussicht missfiel, ihn in Zukunft noch länger entbehren zu müssen. Andererseits verstand sie, dass sie nach der Geburt des Kindes, die in etwa zwei Monaten zu erwarten war, mehr Geld brauchen würden, um über die Runden zu kommen. Und auf eine Anstellung als Magd konnte sie in ihrem Zustand nicht mehr hoffen.
Ein paar Mal hatte sie Daniel nach der Natur der Geschäfte gefragt, denen sein Freund nachging, hatte aber nur ausweichende Antworten erhalten und es schließlich aufgegeben. Vermutlich glaubte er, sie zu langweilen, wenn er ihr Einzelheiten erzählte. Gerne hätte sie ihn überzeugt, dass sie an allem interessiert war, was ihn betraf. Doch sie wollte nicht nachbohren.
Als das Feuer knisternd brannte, schob Daniel ihr einen Stuhl vor den Kamin, auf den sie sich seufzend niederließ. Er trat hinter sie und küsste genüsslich ihren Hals, bis sie lachen musste.
»Nach dem Essen muss ich eine Weile fortgehen«, eröffnete er ihr mit Bedauern. »Ich werde wohl erst spät zurückkehren. Bleib also meinetwegen nicht auf.«
»Bist du sicher?«, fragte Kitty enttäuscht. »Es macht mir nichts aus, auf dich zu warten.«
»Nein, leg dich schlafen. Ich werde vermutlich bis in die frühen Morgenstunden beschäftigt sein.«
Als er sich nach dem Mittagsmahl von ihr verabschiedete, sah er sie eine Weile liebevoll aus seinen braunen Augen an. Ein Lächeln des Glücks umspielte seine Lippen und ließ sein hübsches Gesicht noch jugendlicher erscheinen.
»Ich bin bald zurück«, sagte er und küsste sie auf den Mund. Der Geruch seiner Haut, seines schulterlangen dunkelbraunen Haares streifte Kittys Nase, und sie sog gierig den Duft ein, um während seiner Abwesenheit davon zu zehren.
Daniel warf ihr noch eine Kusshand zu, bevor er sich den Hut aufsetzte und die Kammer verließ.
Für einen Moment starrte Kitty sehnsuchtsvoll auf die geschlossene Tür. Schon fehlte er ihr. Nur ungern schlief sie allein in dem breiten Bett, nachdem sie sich daran gewöhnt hatte, Daniels warmen Körper neben sich zu spüren.
Wie er ihr geraten hatte, ging sie früh zu Bett. Doch sie schlief unruhig und schreckte ein paar Mal während der Nacht auf. Schließlich erhob sie sich, tastete nach der Zunderbüchse und schlug Feuer. Mit der entzündeten Kerze trat sie ans Fenster. Die Sutton Street war menschenleer, denn die Morgendämmerung war noch fern. Das Heulen zweier Kater, die Revierstreitigkeiten ausfochten, war das einzige Geräusch, das die Stille der schlafenden Stadt durchbrach. Fast eine Stunde lang saß Kitty am Fenster, in der vagen Hoffnung, Daniel heimkehren zu sehen. Bald fielen ihr jedoch vor Müdigkeit die Augen zu, und so ging sie zurück ins Bett. Sie erwachte erst wieder, als die schwache Wintersonne bereits auf ihrem höchsten Stand war. Erschrocken fuhr sie auf. Sie war allein. Daniel war nicht zurückgekehrt.
Nach zwei Tagen vergeblichen Wartens wusste Kitty vor Sorge weder ein noch aus. Daniel musste etwas zugestoßen sein, sagte sie sich. Noch nie zuvor hatte er sie so lange allein gelassen. Aber wie sollte sie ihn finden? Sie wusste weder, wohin er gegangen war, noch kannte sie den Namen des Freundes, mit dem er Geschäfte machte. Nun verfluchte sie ihre Genügsamkeit, die sie daran gehindert
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