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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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glauben, was sie hörte, aber ein Gefühl sagte ihr, dass jedes Wort, das Susannah ihr ins Gesicht schleuderte, der Wahrheit entsprach. Gleichwohl schien ihre Ruhe die andere aus der Fassung zu bringen. Fieberhaft sprach Susannah weiter: »Und was deinen Bruder betrifft …«
    »Untersteh dich, nun auch noch meinen Bruder zu verleumden«, sagte Kitty warnend. »Thomas war kein Dieb.«
    »Freilich nicht«, höhnte Susannah. »Er diente Jonathan Wild nur als Sündenbock, der für die wahren Schuldigen den Kopf in die Schlinge stecken musste. Die Geplünderten wollten einen Räuber hängen sehen, und Wild verschaffte ihnen das gewünschte Schauspiel. Die tatsächlichen Räuber, die für ihn arbeiteten und die ihm zu wertvoll waren, um sie zu opfern, lachten sich ins Fäustchen. Zufällig kenne ich ihre Namen. Daniel war einer von ihnen!«
    Kitty weigerte sich, zu begreifen. Daniel konnte sie nicht so schmählich hintergangen haben. Unmöglich! Doch da war die leise flüsternde Stimme in ihrem Kopf, die fragte, wie er hatte wissen können, dass Thomas unschuldig war.
    »Nur sein schlechtes Gewissen hat ihn dazu gebracht, dich vor Wilds Schergen zu retten und dich zu ehelichen, als du schwanger wurdest«, fügte Susannah boshaft hinzu. »Doch dann ist ihm bewusst geworden, welche Bürde er sich da aufgehalst hat. Daniel ist nicht verschwunden, Herzchen, er hat dich sitzenlassen … so wie mich!«
    Susannahs Worte trafen Kitty wie eine Klinge ins Herz. Unfähig, noch mehr zu ertragen, wandte sie sich abrupt ab und hastete zum Eingang des Kerkers zurück, verfolgt vom schadenfrohen Lachen der anderen, das schließlich in ein schmerzliches Schluchzen überging. In diesem Moment hasste Kitty sie so sehr, dass sie sich inbrünstig wünschte, sie am Galgen hängen zu sehen.
    Dick sah die junge Frau mitleidig an. Nachdem er ihr die Kerze aus der zitternden Hand genommen hatte, führte er sie ins Erdgeschoss zurück. Wie eine Schlafwandlerin folgte ihm Kitty durch den Saal, der sich inzwischen geleert hatte, zur Pförtnerloge. Dort verabschiedete sich der Bursche von ihr.
    Vor dem Newgate blieb Kitty einen Moment wie betäubt stehen. Erst als sie von einem vorbeieilenden Passanten unsanft angerempelt wurde, kam sie wieder zur Besinnung und machte sich auf den langen Weg zurück zu ihrer Unterkunft in Clerkenwell.

10
    Mistress Gascoyne, macht auf. Ich weiß, dass Ihr da seid.«
    Kitty erkannte die Stimme der Hauswirtin und erhob sich widerwillig. Die vergangenen Tage hatte sie damit verbracht, am Fenster zu sitzen und den bedrückenden grauen Himmel zu betrachten. Immer wieder fiel Schnee und türmte sich wie Sahnehäubchen auf den Dächern der Häuser. Nur die Schornsteine, aus denen unaufhörlich der Kohlenrauch der Herdfeuer aufstieg, blieben frei. In ihrem Schmerz über Daniels Verrat hatte sich Kitty nicht mehr aus der Kammer gerührt. Nur selten verspürte sie Hunger und aß ein Stückchen ihrer schwindenden Vorräte. So war sie sich nicht bewusst, dass eine neue Woche angebrochen war und dass Mistress Cox auf die Bezahlung des Mietzinses wartete.
    Ein Blick in das Gesicht der Hauswirtin verriet Kitty jedoch, dass dies nicht ihr einziges Anliegen war. Die Witwe knetete unbehaglich ihre fleckenlos saubere Schürze und kam nach kurzer Begrüßung sogleich auf den Punkt.
    »Ich hatte heute Morgen Besuch von Pfarrer Hinde – Euretwegen«, begann Mistress Cox. »Es ist ihm nicht entgangen, dass Ihr und Euer Gatte seit längerem nicht beim Gottesdienst wart, und er wollte sich nach Euch erkundigen. Leider musste ich ihm mitteilen, dass Mr. Gascoyne bereits eine ganze Weile nicht mehr da war.«
    Die Hauswirtin streifte Kittys gewölbten Leib mit einem bezeichnenden Blick. »Nun hat unser guter Herr Pfarrer die verständliche Sorge, dass Euer Gatte möglicherweise nicht zurückkehrt.«
    »Und wennschon«, stieß Kitty zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Er hat mich hintergangen, der Lump. Ich will ihn nie wiedersehen.«
    »Aber, Madam, es muss Euch doch klar sein, dass Ihr in dem Fall nicht hierbleiben könnt«, gab Mistress Cox zu bedenken. »Habt Ihr Familie, die Euch aufnehmen kann?«
    »Nein«, erwiderte Kitty bedrückt. »Sie sind alle tot. Ich habe niemanden mehr.«
    »Verfügt Ihr über eigenes Vermögen? Wovon wollt Ihr leben, wenn Euer Gatte nicht zurückkommt?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Kitty mit hängenden Schultern.
    Die Hauswirtin machte ein betretenes Gesicht, als ihr klarwurde, dass sie um ihre

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