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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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Diensten steht oder Hauseigentümer ist. Als verheiratete Frau ist Euer gesetzlicher Wohnsitz im Kirchspiel Eures Gatten, also in Southampton. Folglich werde ich Euch und Euer Kind dorthin zurückschicken.«
    »Zurückschicken?«, wiederholte Kitty ungläubig. »Aber ich war nie dort. Ich kenne niemanden in Southampton.«
    »Das ist Euer Problem«, meinte der Magistrat ungerührt.
    »Aber …«
    »So will es das Gesetz«, bekräftigte er in einem Ton, der keinen weiteren Widerspruch duldete. »Unterzeichnet.«
    Der Schreiber schob ihr das Dokument zu, nachdem er es mit Sand gelöscht hatte, und reichte ihr die Feder. Zögernd nahm Kitty sie entgegen und setzte ihren Schriftzug unter ihre Aussage.
    Bedrückt machte sich die junge Mutter auf den Rückweg und ging an der Brauerei und dem Schlachthof des Arbeitshauses vorbei zu den Unterkünften der Bettler und Vagabunden auf der »Aufseherseite«. Dort gesellte sie sich wieder zu den Frauen, die die Wäsche der armen Kinder auf der »Verwalterseite« wuschen. Die anderen Insassen mussten Hanf klopfen, der dann an Zwirnspinner, Leinenweber und Schuhmacher verkauft wurde. Die Kinder erhielten jeden Tag zwei Stunden Unterricht in Lesen und Schreiben, den Rest der Zeit verbrachten sie damit, Wäsche zu flicken und Strümpfe zu stricken. Zweimal am Tag fanden sie sich alle zur Andacht in der geräumigen Kapelle zusammen. Das Essen war einfach, aber ausreichend. Morgens und abends gab es zumeist gebuttertes Brot und manchmal Käse. Mittags wurde eine warme Mahlzeit aufgetischt, an einem Tag Erbsenbrei, an einem anderen Mehlklöße mit Rosinen oder Haferschleim. Nur sonntags und donnerstags kamen die Insassen des Arbeitshauses in den Genuss von Rindfleisch.
    Kitty hatte sich in der Institution sicher und geborgen gefühlt. Die Aussicht, in eine fremde Stadt verfrachtet zu werden, machte ihr Angst. Sie war nicht einmal sicher, ob sie nach Stamford zurückkehren wollte. Mit ihrem vaterlosen Kind würde man sie nur für ein gefallenes Mädchen halten und sie mit Verachtung strafen. Da war es schon besser, in London zu bleiben, wo sich Kitty trotz ihres Unglücks mittlerweile heimisch fühlte. Hier konnte sie ohne Mühe untertauchen und ihre Schande verbergen.
    Es war üblich, dass ein Kirchspiel, das Vagabunden in ihre Heimatsprengel abschieben wollte, einen Karren mietete und diesen von Konstabler zu Konstabler schickte. Die Kosten für Unterkunft und Verköstigung der Deportierten trug die Grafschaft, die das Gefährt auf seinem Weg gerade passierte. Da Kitty jedoch zurzeit die Einzige war, die nach Southampton abgeschoben werden sollte, beschlossen die Kirchenvorsteher, in diesem Fall auf die Anmietung eines Karrens zu verzichten, um Geld zu sparen. Stattdessen händigten sie Kitty einen Pass aus, der sie berechtigte, sich auf dem Weg nach Southampton den Lebensunterhalt zu erbetteln. Am Ende einer Tagesreise konnte sie mit dem Pass beim Konstabler des jeweiligen Ortes vorsprechen und erhielt dann eine Mahlzeit und ein Obdach.
    So fand sich Kitty an einem eisigen Märzmorgen auf dem Hof des Arbeitshauses wieder, den Bettlerpass in der Tasche, ihre Tochter in ein Tuch gewickelt vor dem Bauch. Sie hatte die Kleine auf den Namen Helen taufen lassen, nach der Heiligen der Pfarrkirche, in der die Insassen jeden Sonntag den Gottesdienst besuchten.
    Noch ein wenig unschlüssig stand Kitty eine Weile auf der Bishopsgate Street, bevor sie sich langsam in Richtung Stadtkern in Bewegung setzte. Zuerst musste sie zur Hog Lane zurück und ihre Habseligkeiten holen.
    Der Weg war lang und beschwerlich. Um die Mittagszeit erreichte sie endlich das Logierhaus. Als sie an die Tür klopfte, um ihre Rückkehr anzukündigen, wurde sie von Mistress Symons empfangen.
    »Du bist es! Wie ich sehe, hast du ein gesundes Kind zur Welt gebracht«, sagte sie mit abschätzigem Blick. »Willst du etwa deine alte Kammer zurück? Leider geht das nicht. Ich habe sie neu vermietet, als Ann ausgezogen ist.«
    »Ann ist fort?«, wiederholte Kitty enttäuscht. »Wie schade.«
    »Sie schuldet mir noch Geld«, erklärte die Hauswirtin. »Sie ist klammheimlich mit dem Schemel und dem Waschgeschirr abgehauen. Sicher hat sie die Sachen versetzt.«
    Überrascht sah Kitty sie an. Das hätte sie dem freundlichen Mädchen nicht zugetraut.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich möchte nur meine Kiste abholen. Dann gehe ich.«
    Die Hauswirtin stieß ein kurzes spöttisches Lachen aus. »Die hat Ann ebenfalls mitgehen

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