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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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trotzdem sicher. Wenn du willst, zeige ich dir einen ehrlichen Pfandleiher, der dir die Reisetruhe zu einem guten Preis abnimmt.«
    »Danke für den Rat«, erwiderte Kitty. »Ich werde darüber nachdenken.«
    Für eine kurze Weile verschwand Ann in der Küche des Hauses und kehrte schließlich mit einer Kanne heißen Wassers zurück. Als Kitty aus Höflichkeit den Tee probierte, war sie angenehm überrascht. Ann hatte ein wenig Zucker hineingegeben.
    »Mit einem Spritzer Milch schmeckt er noch besser, aber ich habe leider keine mehr da.«
    Während die beiden jungen Frauen auf dem Bettrand saßen und Tee tranken wie die reichen Damen der Gesellschaft, redete sich Kitty ihr Leid von der Seele. Allerdings vermied sie es, Jonathan Wild zu erwähnen, vor dem sie sich weiterhin in Acht nehmen musste.
    »Die Männer sind Schweine«, kommentierte Ann Kittys Beichte. »Sie taugen nur dazu, dass man sie ausnimmt. Glaub mir, Herzchen, als Frau kannst du dir die Finger wund arbeiten und dennoch am Hungertuch nagen. Wenn du aber ein wenig Spaß nicht abgeneigt bist, gibt es keine besser bezahlte Arbeit als die Hurerei.«
    Kittys Augen weiteten sich entsetzt. »Hast du …«, entschlüpfte es ihr, bevor sie sich beherrschen konnte.
    Ann lächelte ein wenig abfällig. »Hin und wieder. Wenn ich die Miete nicht bezahlen kann und mein hohler Bauch mich allzu sehr quält. Es ist nicht so schlimm, wenn man ein glückliches Händchen darin hat, sich die Freier auszusuchen und die zu vermeiden, die nur durch die Anwendung von Gewalt über ihre Schamgefühle hinwegkommen.«
    »Aber kannst du denn durch ehrliche Arbeit nicht genug verdienen?«, fragte Kitty unbehaglich.
    »Wenn selbst viele Männer, die eine bessere Beschäftigung finden als Frauen, von ihrem Verdienst nicht menschenwürdig leben, geschweige denn ihre Familien ernähren können, wie soll unsereins dann mit dem Hungerlohn zu Rande kommen, der fürs Nähen, Waschen und Putzen gezahlt wird. Ich habe mal eine Zeitlang als Seidenzwirnerin in Spittlefields gearbeitet, und dann habe ich Seidenbänder gewebt. Aber nicht einmal die Webergesellen verdienen mehr als fünfzehn Schillinge die Woche, auch diejenigen nicht, die die schwierige Kunst des Brokatwebens beherrschen.«
    »Könntest du keinen Dienstplatz als Magd bekommen?«
    »Das habe ich auch versucht. Einmal und nie wieder!«, stieß Ann verächtlich hervor. »Mein Dienstherr, ein fetter Weinhändler mit einer roten Säufernase, wollte für den mageren Lohn, den er mir zahlte, obendrein noch, dass ich ihm das Bett wärme. Als ich mich weigerte, entließ er mich. Da sagte ich mir, das Dienstbotenleben ist nichts für dich. Man wird wie das Eigentum des Hausherrn behandelt.« Anns blaue Augen richteten sich mit einem mitfühlenden Ausdruck auf Kitty. »Tut mir leid, dir die Illusion zu nehmen. Aber mit einem Kind findest du ohnehin keinen Dienstplatz. Bist du geschickt im Umgang mit der Nadel? Dann könntest du Hemden und Hosen nähen. Aber das wird auch sehr schlecht bezahlt. Nachdem du den Mietzins für eine Dachkammer wie diese beglichen hast, bleibt dir kaum genug für dein täglich Brot, geschweige denn für die Kerzen, die du in der dunklen Jahreszeit zum Arbeiten brauchst, oder für Kohle, falls du das Glück hast, über eine Feuerstelle zu verfügen.«
    Bis ihr Kind geboren wurde, war Kitty ohnehin nicht in der Lage, sich auf Arbeitssuche zu machen, und so verdrängte sie den Gedanken daran. Ann half ihr, die Reisetruhe und einige Kleidungsstücke zum Pfandleiher zu schaffen, so dass Kitty bis zur Niederkunft genug Geld übrig hatte, um ein bescheidenes Dasein in der Dachkammer auf der Hog Lane zu fristen. Dafür half sie ihrer Mitbewohnerin bei den Näharbeiten, die diese nach Hause brachte, und sie teilten sich den Lohn, den Ann damit verdiente.
    In den Keller war ein Flickschuster mit seiner Familie eingezogen. Kitty konnte nicht umhin, sie zu bedauern, wenn sie den Mann in dem Bemühen, Kerzen zu sparen, hinter dem schmutzstarrenden Fenster im schwachen Licht des Wintertages alte Schuhe reparieren sah. Seine drei Knirpse verließen den Kellerraum nur selten, ihre fadenscheinigen Kleider schützten sie nur unzureichend vor der bitteren Kälte.
    An diesem Nachmittag im März zeigte der Frühling keine Anstalten, ins Land einzuziehen. Kitty war froh, dass sie sich in den dicken Wollumhang schmiegen konnte, den Daniel ihr im Dezember gekauft hatte, und dass sie feste Schuhe aus Stamford mitgebracht hatte, sonst

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