Die Lady auf den Klippen
einmal lächeln. Beide Frauen drehten sich zu ihr um. Mrs Linney lächelte, Margaret hingegen schien sich unbehaglich zu fühlen. Bei ihrem Anblick wurden sie blass. Blanche erkannte, dass sie energisch auftreten musste.
„Ich mag es nicht, wenn in meinem Haus geklatscht wird“, sagte sie rundheraus.
Mrs Linney erbleichte noch mehr.
Blanche wandte sich an Margaret. „Es stimmt nicht.“ Eine der wenigen großen Lügen in ihrem Leben. „Sir Rex hatte von Anfang an Schwierigkeiten mit Anne, und sie hat diese Gerüchte in die Welt gesetzt, um sich an ihm zu rächen, obwohl er sich ihr gegenüber sehr großzügig verhalten hat.“ Sie wandte sich an die aschfahle Matrone. „Sir Rex ist ein Gentleman, und ich werde nicht dulden, dass irgendjemand etwas anderes sagt. Mein zukünftiger Gemahl würde sich nie mit einem Hausmädchen einlassen.“
„Es tut mir leid“, stieß Mrs Linney hervor. „Ich wollte nicht so unhöflich sein.“
Blanche sah sie an und dachte an den ton. Sie selbst war die einzige Frau, die sich nichts aus Klatsch machte, obwohl sie solchem Gerede ständig ausgesetzt war, denn Bess liebte Klatsch. Klatsch war immer hässlich, verletzte meistens das Opfer. In Blanches Schläfen pochte es. Ihr ganzes Erwachsenenleben lang hatte sie Gäste empfangen, ohne sich um die halben Wahrheiten und halben Lügen zu kümmern, die in ihrem Salon kursierten. Nie hatte sie irgendetwas davon ernst genommen. Aber mit einem Mal fiel es ihr nicht mehr so leicht, all das beiseitezuschieben. Plötzlich war der Klatsch so schmerzhaft wie eine richtige Wunde. Und sie war verwirrt. Warum hatte sie früher so gern Gäste empfangen – oder stimmte das gar nicht? Es war ihre Rolle als Harringtons Tochter gewesen, die sie nie infrage gestellt hatte. Pro Woche hatte sie drei- oder viermal Gäste zum Abendessen gehabt.
Bis zu diesem Augenblick war dieses Abendessen sehr angenehm verlaufen, doch die Mahlzeiten, die sie allein mit Sir Rex eingenommen hatte, waren weitaus erfreulicher gewesen.
Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen, brachte jedoch kein Lächeln zustande. „Ich würde es sehr schätzen, wenn sie die Klatschbasen eines Besseren belehren, Mrs Linney.“
„Ich werde mein Möglichstes tun“, sagte Mrs Linney langsam. „Sie wissen, ich werde diese ganze Angelegenheit verschweigen. Schließlich sind wir ja jetzt gute Bekannte.“
Blanche wusste, dass sie sie noch nicht von Sir Rex’ Unschuld hatte überzeugen können, aber Mrs Linney war nicht dumm. Sie wollte wieder nach Bodenick eingeladen werden, und es würde ihr nicht helfen, wenn sie sich nicht fügte. „Danke. Und ja, mir ist diese neue Freundschaft sehr wichtig, deshalb hoffe ich, dass dieses hässliche Thema bald vergessen ist.“
Margaret sah sie besorgt an. „Möchten Sie sich setzen, Mylady? Soll ich einen Tee bringen lassen?“
Blanche lächelte. Margaret Farrow war eine ganz reizende junge Frau. „Dieser Missklang hat mich beunruhigt. Aber jetzt geht es mir gut.“ Dann bemerkte sie, dass Sir Rex in der Tür stand, genau da, wo sie eben noch gestanden und gelauscht hatte. Sie musste sich nicht fragen, wie viel er gehört hatte. An seiner finsteren Miene erkannte sie, dass er alles mitbekommen hatte.
Er hinkte herein. „Ich weiß, dass Sie müde sind, und ich würde vorschlagen, den Abend vorzeitig zu beenden.“ Seine Miene wirkte sehr angespannt, und Blanche fürchtete, dass er seinen Zorn nur mit Mühe beherrschen konnte.
„Natürlich!“, rief Margaret nervös aus. „Lady Harrington hat so vieles zu bedenken, sie muss sehr erschöpft sein!“ Margaret drehte sich zu ihr um. „Ich würde liebend gern helfen, wenn ich kann. Bitte zögern sie nicht zu fragen. Und vielen Dank für das Abendessen, es war ganz reizend.“
Blanche dankte ihr, während die Herren hereinkamen. Mrs Linney ergriff ihre Hände. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht gekränkt. Ich freue mich so sehr für Sie und Sir Rex! Ich werde Sie später diese Woche noch einmal besuchen“, fügte sie rasch hinzu. „Wenn Sie nichts dagegen haben.“
Blanche zwang sich zu einem Lächeln. „Natürlich nicht. Gute Nacht.“
Gleich darauf sah sie, wie Fenwick die Vordertür hinter den letzten Gästen schloss. Als Sir Rex zurück ins Zimmer hinkte, lächelte sie wieder. „Dies war ein sehr angenehmer Abend, nicht wahr?“, sagte sie leichthin und hoffte, dass er zustimmte. Sie fühlte sich einem
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