Die Lady auf den Klippen
sehr krank war. Jetzt verstand er, warum sie die Verlobung gelöst hatte, auch wenn es nicht Vernunft war, die sie zu dieser Entscheidung geführt hatte. Was immer mit ihr geschah, so wusste er doch, dass der Grund nicht bei ihm lag. Und er hasste es, dass er sie in den vergangenen Monaten verachtet hatte. Er hasste sich, weil er zu dem Schluss gekommen war, dass sie eine betrügerische Dirne sei wie Julia Mowbray. Blanche war ein Engel. Ein Blick vorhin hatte genügt, um ihn daran zu erinnern. Ungeachtet der Tatsache, dass sein Herz dies ohnehin nie bezweifelt hatte. Aber sie war sehr krank. Sie brauchte ihn, damit er sie vor Schurken wie Dashwood beschützte. Und sie brauchte Heilung – sie durfte nicht verrückt werden.
Er konnte nicht glauben, dass eine Migräne derart heftige Anfälle auslöste. So etwas hatte er noch nie gehört. Welche Krankheit mochte wohl der Auslöser dafür sein, dass sie zu Boden sank? Es hatte ausgesehen, als wäre sie verrückt. Wenn er an ihr Verhalten dachte, zog sich alles voller Schmerz in ihm zusammen. Aber niemand verlor über Nacht den Verstand.
Doch er wusste auch, dass Wahnsinn in manchen Familien vererbt wurde. Harrington war so vernünftig gewesen, wie man nur sein konnte, aber über Blanches Mutter wusste Rex nichts. Er hatte solche Angst um sie. Dabei hatte er Blanche als die ruhigste und vernünftigste Frau kennengelernt, die er je getroffen hatte.
Langsam und voller Sorge näherte sich Rex der Küche. Zumindest schien Bess mit ihm übereinzustimmen, dass Dashwood aus Blanches Leben zu verschwinden hatte. Je eher, desto besser, dachte er. Aber was dann? Dem Klatsch musste Einhalt geboten werden, und Blanche brauchte einen Arzt.
In diesem Augenblick entdeckte er den Schmied aus Lanhadron, der in der offenen Küchentür mit einer jungen Magd flirtete.
Der Schmied führte nichts Gutes im Schilde, das wusste Rex. Blanche sollte in keiner Weise behelligt werden, und sie sollte auch keinerlei Bedrohung erfahren. Er trat vor, wobei er die Krücke so heftig in den Boden stieß, dass Dreck aufspritzte und Löcher zurückblieben. Zorn stieg in ihm auf. Als Carter ihn sah, schreckte er auf und schien ehrlich überrascht.
Dann kniff er die Augen zusammen. Rasch nahm er die Mütze ab und neigte den Kopf. „Mylord.“
„Kommen Sie mit!“, verlangte Rex in scharfem Tonfall. Was hatte Carter vor? Egal, was es sein mochte, jetzt war es damit vorbei.
Carter hielt den Blick weiterhin abgewandt, umklammerte aber seine Mütze, während er mit Rex zusammen die Küche verließ und in den Garten zurückging. Schließlich blieb Rex stehen und sah ihn an. „Welche Angelegenheiten führen Sie nach Harrington Hall, Carter?“
Langsam hob der Schmied den Kopf und sah ihn kühl an. „Mylord, Annie bewundert Ihre Ladyschaft so sehr und bat mich, ihr ein kleines Geschenk zu überbringen. Ich habe ihr eine Spange aus Schildpatt mitgebracht. Annie hat sie ausgesucht.“
Rex gelang es nicht, seinen Unmut zu verbergen – und er wollte es auch nicht. „Unsinn. Anne hat nichts als Hass und Neid für Lady Harrington übrig. Das war offensichtlich, als ich mit ihr verlobt war. Sie führen nichts Gutes im Schilde. Haben Sie sie belästigt? Sie bedroht?“
Carter warf ihm einen verschlagenen Blick zu. „Ich stehe nicht in Ihren Diensten – Mylord.“
Der Mangel an Respekt erstaunte Rex nicht. „Sollten Sie jemals wieder hier auftauchen, werden Sie nie wieder Arbeit finden in der Grafschaft. Und Anne gleichfalls nicht. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“
Carter wurde rot vor Zorn. „Ihr hochmütigen Lords seid doch alle gleich! Ihr haltet euch für Gott, wie? Und wir armen Leute sind euch völlig egal.“
„Ihre Weltsicht interessiert mich nicht. Verlassen Sie Lady Harringtons Anwesen.“
„Ich nehme an, Sie rammeln Ihre Ladyschaft noch immer, was?“ Der Schmied lachte hämisch. „Ich wette, das wird ihrem neuen Verlobten nicht gefallen.“
Rex konnte die Kühnheit dieses Mannes nicht fassen. Ebenso wenig wie dessen Dummheit. Aber rasch entschied er sich dafür, mitzuspielen. „Ich muss Sie auffordern, sich um Ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern.“
Carter warf ihm einen verschlagenen Blick zu. „Das werde ich tun – für einen angemessenen Preis.“
Jetzt begriff Rex, dass Carter Blanche erpresst hatte. Er konnte kaum atmen, so sehr rang er um Beherrschung. „Verlassen Sie diese Gegend und
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