Die Lady auf den Klippen
lachte Blanche auf und begann dann zu weinen. Sie ließ ihrem Kummer freien Lauf, trauerte um ihren Sohn oder ihre Tochter. Ihr Kind verdiente mehr als eine verrückte Mutter. Und Dashwood wäre ein schrecklicher Vater – was hatte sie sich dabei nur gedacht?
Als sie Sir Rex verließ, hatte sie gehofft, ein Leben ohne diese Zwischenfälle führen zu können. Aber sie war nicht stark genug gewesen, um den Wahnsinn im Zaum zu halten. Sie hatte versucht, ruhig zu leben, ohne Gefühle, aber sie hatte versagt. Es gab keine Ruhe, und es gab keinen Frieden. Stattdessen lebte sie in ständiger Furcht und Momenten des Wahnsinns. Ihr Leben war unerträglich geworden. Schlimmer noch: Nun, da sie die Wahrheit über sich selbst erkannt hatte, gab es auch keine Hoffnung mehr.
Sie war wahnsinnig. Die ganze Welt wusste es. Und nun wusste es auch Sir Rex.
Blanche wischte sich über die Augen und blickte hoch zur Decke. Die Erkenntnis war beinahe eine Erleichterung für sie. Sie würde nie wieder in der Lage sein, das Leben aufzunehmen, das sie einst geführt hatte, ehe sie sich in Sir Rex verliebte. Nie wieder würde sie diese anmutige, elegante Dame sein, die Frau, die sie für eine perfekte Dame hielt. Das war jetzt offensichtlich. Ebenso offensichtlich war die Tatsache, dass sie ihrem Kind nie eine richtige Mutter sein könnte, aber dennoch war sie eine Mutter.
Dies war ihr Kind, und sie musste es vor sich beschützen und dafür sorgen, dass es eine sichere Zukunft hatte.
Blanche fasste einen Entschluss. Ihr eigenes Leben konnte sie nicht retten, und es war ihr inzwischen auch egal. Aber sie musste an ihr Kind denken.
Sir Rex war der Vater. Er würde in der Lage sein, ihr gemeinsames Kind aufzuziehen. Er würde ein wunderbarer Vater sein. Daran zweifelte Blanche nicht. Jetzt erschien es ihr unwichtig, dass er so zurückgezogen lebte oder sich von Zeit zu Zeit betrank. Er war aufrichtig, ehrenhaft und verlässlich. Ein starker und freundlicher Mann. Er würde ihr gemeinsames Kind lieben und so gut wie möglich aufziehen. Und ihr Kind würde eine wundervolle große Familie haben, mit Cousinen, Tanten, Onkeln und Großeltern. Er war ein Vater, wie jedes Kind ihn verdiente und haben sollte.
Sir Rex hatte das Recht zu erfahren, dass sie ein Kind erwartete. Blanche wusste, dass sie es ihm sagen musste, und zwar bald. Warum sie so lange gebraucht hatte, um zu dem einzigen möglichen Schluss zu gelangen, vermochte sie nicht zu sagen. Aber sie fürchtete sich davor, ihn wiederzusehen. Sie fürchtete sich vor seinem Blick. Er würde es vermeiden, ihr in die Augen zu sehen oder sie versehentlich zu berühren. Das taten alle.
Sie schlang sich die Arme um die Taille. Einst hatte er ihr tief in die Augen gesehen, ehe er sie geküsst hatte, während er sich in ihr bewegt, sie geliebt hatte. Einst hatte er sie bewundert – das hatte er ihr gesagt. Welche Närrin war sie gewesen, dass sie nicht zu schätzen gewusst hatte, was er ihr bot – auch wenn es nur kurz gewesen war. Jetzt bemitleidete er sie. Fühlte sich vielleicht sogar abgestoßen.
Bess hatte auf eine Heirat gedrängt, aber nur wegen des ungeborenen Kindes, doch Blanche wusste jetzt, dass sie mit ihren Verehrern und Dashwood fertig war. Kein Mann wollte eine Verrückte zur Frau. Dashwood hatte es auf ihr Vermögen abgesehen, das ihr jedoch nicht einmal wichtig war. Sie hatte ihn ausgewählt, weil er sie oder das Kind nicht behelligen würde. Jetzt wusste sie, dass sie diese Verbindung niemals eingehen könnte. Tatsächlich hatte es keinen Sinn, überhaupt zu heiraten.
Sir Rex würde das Kind nie im Stich lassen. Die Lösung lag auf der Hand.
Sie würde sich aufs Land zurückziehen, bis das Kleine auf der Welt war. Und es dann Sir Rex überlassen.
Blanche begann wieder zu weinen.
Kapitel 20
Es war, als führte eine Angst zur anderen. Rex stand in der Eingangshalle von Clarewood, Blanches Bild vor Augen und die Angst um ihr Wohlergehen nun vermengt mit dem Wunsch, seinen Sohn zu sehen und sich zu vergewissern, dass er das getan hatte, was für den Jungen am besten war. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes mit dem Marmorfußboden befanden sich zwei Rundbogentüren. Eine führte zu einem größeren Empfangsraum, die andere zu einem Gang, von dem aus mehrere Salons zu sehen waren. Rex hinkte auf den Empfangsraum zu. Er war so groß wie ein Salon und hatte ebenfalls einen Marmorfußboden mit Gold darin.
Weitere Kostenlose Bücher