Die Lady auf den Klippen
Unermessliche. Sie wollte nicht, dass er näher kam, denn seine Nähe war so einschüchternd und aufregend. Er nahm ihr das Glas ab und stellte es hin, stand jetzt so dicht bei ihr, dass sie sein Eau de Cologne riechen konnte – das nach Meer, Wäldern und einem leichten Hauch von Zitrone duftete. Und er roch nach Mann. Als er ihr das Glas reichte, streifte er ganz leicht ihren Arm.
„Vielen Dank für Ihre Freundlichkeit.“
Er betrachtete ihren Mund, dann sah er ihr wieder in die Augen. „Möchten Sie über das reden, was Sie so beunruhigt?“
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Allein das Denken fiel ihr schwer. Ihre Gedanken überschlugen sich bei dem Versuch, ihre Gefühle zu verstehen. All das hier war viel zu verstörend. Sie verstand, dass ihr schneller Herzschlag und die zitternden Knie ein Zeichen für Verlangen waren. Aber sie war ebenso verängstigt wie erregt. Sie fühlte sich, als würde sie an einem brüchigen Seil über einem Abgrund hängen.
Als sie es wagte, ihm in die Augen zu sehen, zuckte sie zusammen, und ihr Herz schlug noch schneller. In seinem Blick lag etwas, das sie noch nie zuvor gesehen hatte.
„Die frische Luft“, sagte er, „macht einen gewöhnlich schläfrig.“ Dann senkte er den Blick, sodass sie die langen Wimpern sah.
Entweder konnte sie jetzt leichthin plaudern oder in ihr Zimmer zurückkehren. Sie fühlte sich jetzt vollkommen verwirrt, und es half nicht, dass Sir Rex möglicherweise ein Anwärter um ihre Hand sein könnte. Aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte, obwohl höfliche Konversation ihr zur zweiten Natur geworden war. Und schlimmer noch – sie brachte es nicht fertig zu gehen. Es war, als wären ihre Schuhe am Boden festgeklebt.
„Im Schein der Kerzen“, sagte er leise, „sehen Sie so unschuldig aus wie ein Mädchen von fünfzehn Jahren.“
Ihr Herz schlug jetzt wie rasend. Ich bin tatsächlich so unschuldig und unerfahren wie eine Fünfzehnjährige, dachte sie. So schüchtern und ängstlich! Aber das konnte er ja nicht wissen. „Ich werde bald achtundzwanzig.“
Er sah sie mit seltsamem Blick an, als wollte er sagen: Das ist mir egal.
Sie kämpfte mit sich selbst. Vielleicht war dies die richtige Gelegenheit. „Warum sind Sie noch wach, Sir Rex? Es muss fast Mitternacht sein.“
Erneut sah er ihr in die Augen. Es schien, als wollte er ihr nicht antworten.
Und plötzlich begriff sie, dass er auf seine Geliebte wartete. Sie fühlte, wie sie errötete. „Entschuldigen Sie. Ich gehe.“ Sie drehte sich um und wollte davonlaufen.
Rex hielt sie am Handgelenk fest. „Sie stören nicht.“
Er drehte sie zu sich herum.
„Wenn Sie nicht schlafen können, dann können wir ja gemeinsam aufbleiben“, fügte er leise hinzu und ließ sie los.
Ihr Handgelenk brannte. Eine seltsame Anspannung erfüllte sie. Ein Teil von ihr wollte nicht gehen, denn er war schlicht zu faszinierend. Darauf hatte sie doch gehofft. Oder nicht? Abgesehen davon, dass sie sich etwas weniger Beunruhigendes vorgestellt hatte, jemanden, der einfacher war, nicht derart bedrohlich wirkte.
Der vernünftige Teil in ihr wusste, dass sie fliehen musste, ehe es zu spät war. Das Seil wurde immer dünner – sie fühlte es. Sir Rex war zu ernst. Doch ihre Füße regten sich nicht, keinen Zoll.
Eine ganze Weile verging.
„Leiden Sie oft unter Schlaflosigkeit?“, fragte sie schließlich und presste ihr Glas an ihre Brust.
Ein wunderschönes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Kommt darauf an.“
Es dauerte einen Moment, ehe sie den Sinn dieser Bemerkung begriff. Sie sah ihn wieder mit Anne vor sich und wusste, dass er jetzt bei ihr sein würde, wäre sie – Blanche – nicht sein Gast. Als selbst ihre Ohren rot wurden, sagte sie schnell: „Ich muss jetzt wirklich zu Bett gehen.“
„Gehen Sie nicht.“
Blanche rührte sich nicht.
„Bitte“, fügte er hinzu. „Die Gesellschaft stört mich nicht“, sagte er leise und sah sie wieder so seltsam an. „Es gefällt mir.“
Sie zitterte. War er betrunken? Oder war er nur schrecklich dreist und kühn? „Ich habe Ihre Gesellschaft ebenfalls genossen, Sir Rex“, sagte sie so leichthin wie möglich.
Er wirkte belustigt.
Sie schluckte und versuchte ein passendes Gesprächsthema zu finden, eine beinahe unmögliche Aufgabe in Anbetracht der Stunde und der Umstände. „Ich beneide Sie um diesen
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