Die Lady auf den Klippen
Zurechtweisung deswegen? Kein Hohn, keine spöttische Verachtung?“
Blanche verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, dass ich nicht boshaft oder unfreundlich bin. Und die Wahrheit ist …“ Sie zögerte. „Sie haben ein Recht auf Ihre Liebesaffären.“ Sie merkte nicht, dass sie rot wurde. „Anders als andere betrügen Sie nicht Ihre Ehefrau.“
Seine Augen funkelten. „Ich hätte mir niemals vorstellen können, so ein Gespräch mit Ihnen zu führen. Davon abgesehen spielte ich eben auf meine Schwäche für Wein und Whiskey an.“
Sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen. „Ich meine …“ Sie holte tief Atem. „Natürlich können Sie nachts auf sein und sich ein Glas Wein gönnen.“ Frag ihn! Befahl sie sich. Tu es einfach!
„Das war nicht das, was Sie eben gesagt haben. Sie wollen meine Affäre also nicht verdammen … es ist keine Liebesaffäre, aber das wissen Sie.“
Seine Offenheit war schockierend. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Aufgeregt flüsterte sie: „Ich will Sie nicht verachten.“
Schweigen breitete sich aus.
Er starrte sie so unverwandt an, dass sie sich unbehaglich fühlte. „Warum nur habe ich das Gefühl, dass Sie mir etwas sagen oder mich etwas fragen wollen?“
Himmel, er war einfach zu klug! „Ich habe mich gefragt …“, begann sie atemlos und stockte, ehe sie hinzufügte: „Aber ich möchte nicht neugierig sein. Ich glaube, ich sollte in mein Zimmer gehen.“
Er griff nach ihrem Handgelenk und musterte sie noch prüfender. „Jetzt will ich es wissen. Sie können frei sprechen und mich alles fragen“, sagte er leise. „Kommen Sie, es ist Mitternacht, wir sind allein und erzählen uns unsere tiefsten Geheimnisse und Wünsche.“
„Warum haben Sie nicht geheiratet?“
Aus großen Augen sah er sie an. „Das ist es, was Sie mich fragen wollten?“
Sie nickte nur.
Als er sich abwandte, lagen seine langen Wimpern wie Fächer auf seinen Wangen. „Sie kennen die Antwort bereits.“
Blanche war atemlos. Sie kannte die Antwort nicht, ganz sicher nicht.
„Die Männer der Familie de Warenne heiraten aus Liebe – jedenfalls heißt es so.“
Kapitel 6
Blanche war verblüfft. Im Geiste wiederholte sie, was er gesagt hatte, wieder und wieder – er wollte aus Liebe heiraten. Das war romantisch. Sir Rex war ein Romantiker. Er hatte nicht geheiratet, weil er auf die Liebe wartete.
„Sie wirken überrascht – und missbilligend.“
Sie lächelte strahlend. „Ich bin überrascht. Ich hatte nicht erwartet, dass Sie genauso romantisch sind wie der Rest Ihrer Familie.“
„Sollte ich beleidigt sein?“
„Nein!“, rief sie. „Natürlich nicht! Sie zu beleidigen wäre das Letzte, was ich will.“
Er lächelte nicht bei ihren Worten, sondern sagte ernst: „Es überrascht mich, dass Sie auch nur einen einzigen Gedanken an mein Eheleben – beziehungsweise an dessen Nichtexistenz – verschwenden.“
Ein wenig hilflos zuckte sie die Achseln. „Kürzlich plauderte ich mit Lizzie und Ihrer Mutter. Dabei kam das Thema zur Sprache.“
Ein seltsamer Glanz trat in seine Augen. „Tatsächlich? Und Sie haben sich an diesem Gespräch beteiligt?“
Sie wurde ernst. „Die beiden lieben Sie, Sir Rex. Offensichtlich möchten sie Sie verheiratet und mit einer eigenen Familie sehen.“
„Und Sie haben dem zugestimmt?“
„Ich meine, dass Sie sicher bald Ihre Liebe finden“, entgegnete sie leichthin.
Er lachte verächtlich. „Liebe wird überschätzt.“
Jetzt war sie völlig verwirrt. „Aber Sie sagten doch …“
„Ich bin betrunken“, erwiderte er. „Und nebenbei bemerkt – ich finde Ihre Frage nicht neugierig.“
„Dann habe ich ja Glück.“ Ihre Gedanken überschlugen sich. Was hatte Sir Rex gerade gemeint?
„Ich glaube, jetzt bin ich an der Reihe, Ihnen eine Frage zu stellen.“ In seinem Blick lag etwas Kühnes.
Blanche erstarrte. „Ist das jetzt ein Spiel?“
Er lächelte. „Warum nicht? Sie haben mich um einen Rat gefragt. Was, wenn ich Sie um Ihren Rat bitte?“
Es war, als kämpften sie miteinander. Sie musste sich setzen, sonst würde sie zu Boden sinken. Daher nahm sie auf dem Stuhl Platz, der zunächst stand. „Ich werde den Gefallen erwidern“, erklärte sie.
„Gibt es einen Grund, warum die Frauen in meiner Familie mich versorgt wissen
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