Die Lady auf den Klippen
sorgfältig darauf achtete, die genähte Wunde unbedeckt zu lassen, bis der Arzt eintraf. Sie legte die Hand auf Sir Rex’ Stirn, die sich warm anfühlte, aber nicht heiß. Falls er Fieber hatte, dann war es nicht hoch. Schließlich drehte sie sich zu Meg um. „Ich habe keinen Hunger und will ihn nicht allein lassen, noch nicht. Doch du kannst mir ein Glas Wein bringen und etwas zu essen, denn ich muss mich stärken. Wo bleibt nur der Arzt?“
Anne ging hinaus.
Blanche sah ihr nach, dann blickte sie Meg an. „Was hält ihn so lange auf?“
„Ich bin sicher, er wird gleich da sein“, sagte die Zofe. Dann fügte sie hinzu: „Ich kann bei ihm sitzen. Und ich schicke Anne nach Hause. Ruhen Sie sich wenigstens ein bisschen aus, Mylady. Und sehen Sie sich Ihr Kleid an! Es ist voller Flecke!“
Blanche erstarrte. Ahnte Meg, dass sie ihren Gastgeber so gern hatte, dass sie seine Geliebte von ihm fernhalten wollte? Und stimmte das? Bereitete ihr diese Affäre Sorgen?
„Wenn Sir Rex Fieber bekommen sollte, werden wir ihre Hilfe brauchen.“ Sie lächelte, fühlte sich aber so schwach wie ein Schmetterling. „Falls er krank wird, will ich ihn pflegen. Er war so großzügig zu uns und freundlich, während ich mich aufgedrängt habe.“ Sie mied Megs Blick und strich Sir Rex ganz kurz über die Wange. „Er hat so viel für mich getan – ich muss einfach hierbleiben.“
Blanche erwachte.
Sie saß auf dem Sessel neben Sir Rex’ Bett, und die Sonne schien hell. Ein neuer Tag war angebrochen. Gegen Mitternacht war sie schließlich eingenickt und konnte kaum glauben, dass sie so lange geschlafen hatte, zusammengerollt in dem unbequemen Stuhl, den Kopf auf dem Holzrahmen. Ihr Genick war so steif, dass sie zusammenzuckte, als sie sich aufrichtete.
Aber schon fühlte sie nach Sir Rex’ Stirn. Sie war kühl. Also konnte er kein hohes Fieber haben.
Unglaubliche Erleichterung erfasste sie. Er sah jetzt auch nicht mehr krank aus, seine Hautfarbe war wieder normal, und tatsächlich schien er gut zu schlafen. Sie wischte sich die Augen, die plötzlich feucht geworden waren, und erkannte, dass sie trotz des Schlafes unendlich erschöpft war. Ihre Angst war grenzenlos gewesen, das konnte sie sich jetzt eingestehen.
Ein Gefühl großer Erleichterung erfüllte sie, als sie Sir Rex nun eingehender betrachtete.
Das Laken und die dünne Wolldecke waren wieder bis zu seinen Hüften hinabgeglitten. Vermutlich hatte er sich hin und her gedreht. Sie griff danach, um sie höher zu ziehen, zögerte dann aber. Und in diesem Moment wurde sie sich bewusst, wie männlich er aussah und dass sie beide den größten Teil der Nacht allein in diesem Zimmer verbracht hatten.
Ihr Mund wurde trocken. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Sie ließ den Blick langsam über seinen Nabel und den flachen, muskulösen Bauch gleiten. Ihr war bewusst, was sie da tat: Sie bewunderte ihn. Doch sie konnte diese Gelegenheit nicht einfach so vorübergehen lassen. Der Anblick von so viel Männlichkeit faszinierte sie. Er besaß eine breite, sehr muskulöse Brust, bedeckt mit einem Hauch dunkler Haare. Selbst im Schlaf traten seine Armmuskeln noch hervor. Seine Schultern waren dreimal so breit wie ihre – und vielleicht doppelt so breit wie seine schmalen Hüften. Sie blickte hinunter – und sah, dass sich das Laken zu bewegen schien.
Einen Moment lang starrte sie nur dorthin. Eine Wölbung trat hervor – das war unmöglich, aber sie wusste, was das bedeutete. Sie wollte aufspringen. Konnte das denn sein?
Er griff nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest.
Völlig verwirrt sah sie in sein Gesicht.
Sein Blick war fest und aufmerksam.
Sie begriff, dass er nicht nur wach war, sondern zugesehen hatte, wie sie ihn beobachtete – und jetzt reagierte er so, wie nur ein gesunder Mann das tun konnte. Oder jedenfalls vermutete sie das.
„Gehen Sie nicht.“
Blanche holte tief Luft und setzte sich. Sie fühlte sich benommen – und war sich seiner Berührung nur zu bewusst. Seine Handfläche fühlte sich warm und stark an ihrem Handgelenk an. Noch immer sahen sie einander in die Augen.
Sie schluckte, versuchte, nur sein Gesicht anzusehen, doch ihr Blick schien nicht zu gehorchen. Aus dem Augenwinkel sah sie seinen flachen Bauch und das erhobene Tuch. Endlich errötete sie. „Wie fühlen Sie sich?“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wünschte sie, eine andere
Weitere Kostenlose Bücher