Die Lady in Weiß
dass die Stadt ein angenehmer Ort für englischsprachige Besucher sei. Deswegen hat er mich hierhergebracht.“
„Es ist ein angenehmer Ort für Dummheiten, wenn Sie mich fragen. “ Bertie zog kräftiger an der Pfeife und sah auf den Pfeifenkopf. Wie auf sein Kommando hin begann der Tabak darin zu glühen. „Sehen Sie sich an, was hier passiert! Glauben Sie, ein feiner Gentleman wie unser Lord Nelson wäre auf englischem Boden so vom Pfad der Tugend abgewichen?“
Er kniff die Augen zusammen und blickte sie über die Pfeife hinweg an. Caro fühlte, wie sie blass wurde. Sie wusste, was nun kommen würde, und trotzdem war sie nicht in der Lage, zu gehen, um es nicht mit anhören zu müssen. Gott helfe ihr, irgendwie schien dieser entsetzliche Mann alles zu wissen!
„An allem war nur diese verdorbene Lady Hamilton schuld, diese Schlampe. Sie und der Vulkan. Zwei Ehen hat diese Frau auf dem Gewissen, und wofür?“ Bertie nickte ernst und blickte zu Jeremiah. „Eine kleine Schlampe und ein Vulkan - daraus kann nichts Gutes werden.“
Mit einem Aufschrei wandte Caro sich um und lief davon.
11. Kapitel
Caro! rief Jeremiah noch einmal, als er ihr nachlief, aber sie blieb nicht stehen. Sie raffte ihren Rock zusammen, um schneller die Stufen nach unten eilen zu können. Doch er hatte sein halbes Leben auf See verbracht und bewegte sich behender als sie. Er sprang hinunter, ohne die Stufen auch nur zu berühren, und stand im Nu neben ihr. „Caro, warte! “
Sie hastete weiter, ohne auf ihn zu achten, bis er ihren Arm packte. Kurze Zeit wehrte sie sich, versuchte, sich loszureißen, aber dann, auf einmal, sah sie ihn an. Sie riss sich die Schute mit dem Schleier vom Kopf.
„Warum bist du mir nachgelaufen?“, fragte sie und funkelte ihn an. „Hast du keine Angst, dass ich dich in Versuchung führe und dich quäle, wie Lady Hamilton es zu tun pflegt?“ Er drängte sie sanft nach hinten, bis sie zwischen dem Schott und seinem Körper gefangen war und nicht mehr weglaufen konnte. Sonnenlicht fiel durch das Gitter der Luke über ihren Köpfen und zeichnete ein Schachbrettmuster wie einen groben Schleier auf ihr Gesicht. „Wenn du mich in Versuchung geführt hast, dann hatte das nichts mit einem Vulkan zu tun und auch nichts mit irgendwelchen anderen Lords und Ladies.“
Sie sah ihn mit einem ungläubigen Lächeln an, dann schüttelte sie langsam den Kopf. „Du bist Amerikaner, du weißt wirklich nicht, was er meint, nicht wahr?“
„Ich weiß nur, dass der schmierige kleine Bastard es geschafft hat, uns beide zu beleidigen.“
„Es war mehr als das, Jeremiah. Viel mehr.“ Seufzend ließ sie sich am Schott entlang hinabgleiten und setzte sich mit angezogenen Knien auf den Boden.
Jeremiah hockte sich neben sie. „Was kann da sonst noch sein?“
„Oh, viel mehr.“ Um seinem Blick nicht begegnen zu müssen, beschäftigte sie sich mit der Schute in ihrer Hand. Sie strich mit dem Finger über den Rand, der jetzt hart war vom Salzwasser und von der Sonne ausgebleicht, und zupfte an dem hauchdünnen Schleier. „Es ist nicht das erste Mal, dass ich von Lady Hamiltons - sagen wir - Aufstieg gehört habe, aber Kapitän Bertie war der Erste, der den Mut hatte, es mir ins Gesicht zu sagen. Die meisten anderen flüsterten es sich hinter vorgehaltener Hand zu, allerdings achteten sie immer darauf, dass ich es noch hören konnte.“
Sie hielt inne und stützte den Kopf auf die Knie. Er wollte sie nicht drängen und wartete geduldig, bis sie von selbst weitersprach. Im Stillen aber verfluchte er all die grausamen Klatschbasen, die ihr das Leben so schwer gemacht hatten.
Vorsichtig strich sie den Schleier glatt, dann sagte sie mit teilnahmsloser Stimme: „Lady Hamilton und ich haben viel gemeinsam, weißt du. Auch sie war ein einfaches Mädchen und hat in den Augen der Gesellschaft ihren Status verbessert, indem sie Sir William Hamilton heiratete, einen älteren Adligen, der sehr gut zu ihr war.“
„Was immer man über dich sagen kann, Caro“, erwiderte Jeremiah leise und nahm ihre Hand, um ihre kalten Finger zu wärmen, „du bist kein einfaches Mädchen. Du bist etwas ganz Besonderes.“
„Das sagst du nur, weil du Amerikaner bist.“ Ein bittersüßes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Die Heirat der Hamiltons war schon ein Skandal, obwohl Lady Hamilton nur für Sir William und seine Position als Englischer Botschafter lebte. Aber dann kam Lord Nelson nach Neapel, um das Königspaar vor Bonaparte zu
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