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Die Lady in Weiß

Titel: Die Lady in Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miranda Jarrett
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eine Frau ausgesucht hatte, die wie eine Countess aussah. Den Kopf mit dem silberblonden Haar trug sie stolz erhoben, ihr Gang war ein anmutiges Schreiten, bei dem sich das Kleid aus weißer indischer Baumwolle sanft um ihre Beine schmiegte. Sie hatte ein entzückendes, ebenmäßiges Gesicht und einen angeborenen Charme, den man weder mit Schminke noch mit Erziehung erreichen konnte.
    Kein Wunder, dass Frederick sich von ihr hatte einwickeln lassen, und es war auch nicht erstaunlich, dass sie sich so schnell einen Ersatz für ihr Bett gesucht hatte. Dorinda dachte an den Brief ihres Enkels, der in der Lackdose auf dem Kaminsims lag, und an den Mann, der ihn ihr am Nachmittag gebracht hatte. Wer hätte gedacht, dass sich alles so zu ihrer Zufriedenheit entwickeln würde, als sie vor Monaten den ersten Brief an diesen Dummkopf George geschickt hatte? Wenn nur ein Bruchteil von dem stimmte, was man sich von dieser Caroline erzählte, dann würde Dorinda einiges von dem rächen können, was man den Moncriefs angetan hatte.
    Und von dem, was man ihr selbst angetan hatte. Das vor allem.
    „Komm näher, Mädchen, damit ich dich ansehen kann“, befahl sie und winkte mit ihrem knochigen Zeigefinger, sodass der Ring mit dem eckig geschliffenen Diamanten daran in der Sonne funkelte. „Ich bin keine junge Frau mehr.“
    Jung wohl nicht mehr, dachte Caro, aber immer noch eitel, mit rosig gefärbten Lippen und Wangen und schwarz umrandeten, tiefliegenden Augen. Die verwitwete Countess war sehr klein und vom Alter gebeugt, aber sie trug ein kostbares, elegantes Kleid. Es hatte der Mode entsprechend eine hohe Taille und war tief ausgeschnitten, sodass man ihre faltigen Brüste sah. Außerdem trug sie eine kunstvolle Perücke mit schwarzen Korkenzieherlocken, die von einer Spange mit einer diamantenen Spitze gehalten wurden. Auch an den Ohrläppchen funkelten Diamanten, am Hals und an den Handgelenken, mehr, als es dem guten Geschmack entsprach, und sicher ein Vermögen wert. Caro erinnerte sich, wie oft Frederick gefürchtet hatte, seine Mutter könnte Perkins zwingen, ihre Apanage zu erhöhen.
    Dorinda betrachtete Caro kritisch. „Du entsprichst nicht ganz dem, was ich erwartet hatte, Mädchen.“
    „Ihr entsprecht aber auch nicht ganz meinen Vorstellungen, Mylady“, entgegnete Caro und lächelte. Sie wusste von Frederick, dass seine Mutter eine scharfe Zunge hatte, und sie wollte sich von der alten Frau nicht bezwingen lassen. Bisher waren sie sich noch nie begegnet, aber in gewisser Weise führten sie seit fünfzehn Jahren Krieg gegeneinander. Dorinda hatte zwar die Diamanten, doch Caro hatte Frederick auf ihrer Seite. „Und bitte, sagen Sie Caro zu mir.“ Dorinda ignorierte diese Bitte. „Setz dich, Kind.“
    Sie wies auf einen kleinen Hocker neben ihrem eigenen Stuhl, und Caro setzte sich wortlos.
    Mit einer anmutigen Bewegung öffnete Dorinda ihren Fächer. „Ich hatte nicht erwartet, dass du persönlich hierherkommen würdest.“
    „Und ich war mir nicht sicher, ob Sie mich empfangen würden, wenn ich es täte“, entgegnete Caro. „Doch dann haben Sie geschrieben, dass Sie einen Beweis dafür haben, dass Frederick noch lebt. Da musste ich einfach kommen.“
    „Es ist eine weite Reise für eine Lady.“
    Caro war an dezente Anspielungen dieser Art gewöhnt, daher entging ihr nicht die verächtliche Betonung bei dem Wort Lady. „Ich werde jeden Weg auf mich nehmen, wenn ich damit Frederick zurückbekommen kann.“
    „Aber ich denke doch, dass du diese Reise nicht allein unternommen hast. Sicher hattest du einen Begleiter.“
    „Den hatte ich tatsächlich. Ein amerikanischer Gentleman, der nach anderen Gefangenen sucht, war so nett, mit mir zu kommen.“
    „Ein Gentleman aus Amerika hat dich begleitet? Warum nicht Mr Perkins oder der liebe George?“
    „Sie haben es mir nicht angeboten“, erwiderte Caro und errötete jetzt doch. Es war keine richtige Lüge. Sie hatten es ihr nicht angeboten, aber sie hatte ihnen auch nichts von ihren Plänen gesagt. Und wie anders wäre die lange Reise wohl verlaufen mit George oder Mr Perkins anstelle von Jeremiah! „Mr Sparhawk hatte die Freundlichkeit, und ich nahm sein Angebot an.“
    Dorinda schwieg. George zufolge war dieser Sparhawk nicht besser als ein ganz gewöhnlicher Straßenräuber, nach Kapitän Berties Meinung war er eine Art seereisender Abenteurer mit einer Neigung zu ungezügelter Gewalt und verdächtig freundschaftlichem Umgang mit Franzosen. Beide

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