Die Lady in Weiß
der neben ihrer Schwiegermutter stand. Sie war zu sehr in Gedanken, um die neugierigen Blicke der Schneiderin und ihrer Helferinnen zu bemerken. „Jeremiah ist das Problem.“
„Etwas mehr Diskretion bitte, meine Liebe“, sagte Dorinda tadelnd. „Es gehört sich nicht, Persönliches in aller Öffentlichkeit zu erörtern. “
Sie deutete auf die gesenkten Blicke und aufmerksamen Gesichter der Schneiderinnen und verfluchte innerlich die unbedachte Bemerkung ihrer Schwiegertochter. Bis zum Einbruch der Dunkelheit würde Madame Duval jedes Wort, das sie hier gehört hatte, jeder ihrer Kundinnen berichtet haben. Obwohl, überlegte Dorinda, das vielleicht gar keine so schlechte Sache wäre. Jeder in Neapel wusste von der Gefangennahme des armen Frederick. Wenn seine Frau von einem Befreiungsversuch nicht zurückkehrte, würde ein leichter kummervoller Ausdruck auf Dorindas Gesicht ausreichen, um ihr die Sympathien aller zu sichern, und niemand würde irgendeinen Verdacht hegen.
„Sie werden uns entschuldigen, Madame“, sagte sie. „Wie Sie sehen, ist meine Schwiegertochter wegen einer persön-lichen Angelegenheit besorgt, die wir allein besprechen müssen.“
Die Französin verbeugte sich respektvoll vor Dorinda, doch aus den Augenwinkeln musterte sie Caro prüfend.
„Es ist mir eine Ehre, Madame la Comtesse“, flötete Madame Duval und sank in einen tiefen Knicks. „Vielleicht haben Mylady die Güte, mir zu erlauben, Sie einmal aufzusuchen? Ich habe in meinem Geschäft gerade rosafarbene Seide, tres, tres belle, tres riche, die ganz wunderbar ...“ „Sie bleibt nicht lange“, sagte Dorinda kurz. „Sie wird Neapel noch heute Nachmittag verlassen, um meinen Sohn, ihren Ehemann, zu suchen.“
Mit einer dramatischen Geste klatschte die Französin in die Hände. „Ah, Madame la Comtesse, ich wünsche Ihnen bonne chance, ich wünsche Ihnen und Ihrem Gemahl... “ „Guten Tag, madame“, sagte Dorinda. Sie fand, die Schneiderin habe nun mehr als genug gehört, um dem Klatsch neue Nahrung zu geben, und sie war nicht in der Stimmung, zu hören, wie Madame Duval ein Loblied auf ihre Schwiegertochter sang. Capitano Tomasos Schiff lief mit der Flut am Nachmittag aus, und Caroline sollte dann unbedingt an Bord sein.
Widerstrebend sammelten Madame Duval und ihre Helferinnen die Muster ein und verließen unter Verbeugungen den Raum.
Dorinda lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, legte einen Finger an die Wange und betrachtete Caro nachdenklich. Ganz offensichtlich war die Kleine gerade aus dem Bett ihres Liebhabers gestiegen, und Dorindas Zorn steigerte sich. Sie kannte die Anzeichen. Die geschwollenen, fast wunden Lippen, die durch den Schlafmangel dunkel geränderten Augen, die Wangen rosiger, als sie noch gestern gewesen waren. Wenn das kleine Flittchen noch näher kam, würde sie sicher noch den Geruch des Mannes wahrnehmen können. Was hatte ihr armer Frederick getan, um so etwas zu verdienen?
Doch Dorinda wusste, wie wichtig es war, ihren Zorn zu verbergen. „Nun los, meine Liebe“, begann sie mitfühlend, „was genau ist das Problem mit Captain Sparhawk?“
Caro holte tief Luft, damit ihre Stimme nicht zitterte. Sie wusste nicht, wie sie Jeremiahs Abschied heute Morgen überlebt hatte, und müde und zerschlagen hatte sie Zuflucht bei ihrer früheren Feindin gesucht. „Jeremiah weigert sich, mich nach Tripolis mitzunehmen.“
Dorinda schnaufte verächtlich. Also wollte er sie loswerden. Dorinda konnte ihm deswegen keinen Vorwurf machen, sie respektierte ihn sogar. Die Italiener hatten ein wundervolles Wort, cicisbeo, für den Liebhaber einer verheirateten Frau, ein Titel, den kein ehrenhafter Mann erstrebte. Wie schade, dass sie niemals das Vergnügen haben würde, diesen Jeremiah persönlich kennenzulernen.
„So, wie ich es sehe“, sagte sie, „hat Signor Sparhawk keine andere Wahl, als dich mitzunehmen.“
„Jeremiah sagt, dass es zu gefährlich sei. Er will mich nicht in Gefahr bringen.“ Denn er liebt mich zu sehr. Caro konnte sich gerade noch beherrschen, die Worte nicht laut auszusprechen. Schon jetzt vermisste sie ihn. „Er will nicht einmal, dass ich zum Hafen komme und sehe, wie er abreist.“ „Um Himmel willen, Kind, benutze deinen Verstand!“, befahl Dorinda. Jetzt war sie zu aufgebracht, um weiter Sympathie zu heucheln. „Ich denke, du bist nicht Countess geworden, indem du die Hände gerungen und gejammert hast. Und vergiss nicht: Du bist eine Countess, und kein hergelaufener
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