Die Lady in Weiß
Gefängnis?“ Hamil runzelte die Stirn. „Kein Gefängnis, Mylady. Sie sind eine Countess. Sie werden für eine Weile in meinem Haus bleiben. “
Sie wollte lieber nicht wissen, was das genau bedeutete. „Ich muss Ihnen leider sagen, dass Sie für mich kein Lösegeld bekommen werden.“
Er zuckte die Schultern. „Es geht mir nicht ums Lösegeld, Mylady. “
Sie konnte die Leute an Deck des Korsaren nicht mehr erkennen und fragte sich, ob man Jeremiah wohl wieder in den Laderaum gebracht hatte. Lieber Gott, betete sie, bitte lass die Lampe da sein. Was sollte nur aus ihm werden, wenn man ihn in der Dunkelheit allein ließ? Sie konnte nicht vergessen, wie er vorhin ausgesehen hatte: erschöpft und geschlagen, zusammengesunken zwischen den Seeleuten, die ihn hielten. Den Schmerz und die Demütigung in seinem Blick zu sehen war mehr gewesen, als sie ertragen konnte. „Was werden Sie mit Captain Sparhawk tun?“
„Für seine Unverschämtheit sollte ich ihn als Sklaven in die Steinbrüche schicken. Ein Mann, der so groß und kräftig ist wie er, wäre dort von großem Nutzen. Die Sonne und die Peitsche würden sein Temperament ein wenig zügeln. “ Sein Lächeln traf sie mehr als seine Worte. „In einem Jahr würden Sie ihn nicht wiedererkennen. “
Sie konnte sich einen so stolzen Mann wie Jeremiah nicht als Sklaven vorstellen, der sich wie ein Tier in einem Steinbruch abmühte. „Es würde ihn umbringen.“
„Ja, vielleicht“, sagte Hamil so beiläufig, als unterhielten sie sich über das Wetter. „Aber am besten denken Sie nicht mehr an ihn, Mylady. “
„Aber ich liebe ihn“, rief sie verzweifelt, „und ich kann ihn nicht vergessen, nur weil Sie es mir befehlen! “
„Sie können, und Sie müssen es sogar.“ Sein Gesicht war starr und seine Stimme vollkommen ruhig, dennoch hörte sie deutlich die Drohung, die in seinen Worten lag. Wenn sie ein Mann wäre, erkannte Caro auf einmal, hätte er sie, ohne nachzudenken, getötet. „Sie sind jetzt in Tripolis, Mylady, und ich bin Ihr Herr. Sie haben keinen anderen. Das sollten Sie nicht vergessen.“
Die Stadt war von einer dicken hohen weißen Mauer umschlossen, die von zwei Festungen flankiert wurde. Beide waren mit Kanonen bestückt, um den Hafen vor Angreifern zu schützen. Caro, Hamil und ein paar von seinen Männern kamen durch das Tor an der Nordwestseite herein. Am Hafen hatten Pferde für sie bereitgestanden, und als sie jetzt langsam durch die überfüllten, engen Gassen ritten, wichen die Menschen vor Hamil zur Seite. Einige verbeugten sich respektvoll, andere hatten nur ehrfürchtige Blicke für den berüchtigsten Piraten der Stadt.
Caro wurde angestarrt. Sie fragte sich zuerst, warum keine Frauen auf den Straßen waren, dann erst bemerkte sie die verhüllten Gestalten im Schatten der Häuser. Caro, die in ihrer europäischen Kleidung im Damensattel ritt, war nicht verschleiert und trug ihr helles Haar offen. Sie bot einen Anblick, dem kaum ein Bewohner der Stadt widerstehen konnte. Sie blickte starr geradeaus und versuchte, die gaffenden Männer zu ignorieren, so gut sie konnte, aber als sie Hamils Haus erreichten, war sie zu erhitzt und zu müde von der Anstrengung, um mehr zu erkennen als die weißen Marmorsäulen, zwischen denen sie hindurchritten.
Hamil war höflicher, als sie erwartet oder auch nur gewünscht hatte, und kam selbst heran, um ihr vom Pferd zu helfen. Mit seinen großen, sommersprossigen Händen packte er sie vertraulich um die Taille und stellte sie auf den Boden. Er war sehr groß, beinahe genauso kräftig wie Jeremiah und genau wie er daran gewöhnt, seine Kraft einzusetzen. Sobald sie festen Boden unter den Füßen spürte, befreite Caro sich aus seinem festen Griff.
Er bemerkte ihre Ablehnung und kniff die Augen zusammen, doch er sagte nichts. Stattdessen bedeutete er ihr mit einer Kopfbewegung, ihm durch einen kleinen Gang zu folgen. Zu ihrer Überraschung eröffnete sich vor ihnen ein geschmackvoll angelegter Innenhof. Die Arkaden des zweistöckigen Hauses wurden von Säulen aus ägyptischem Marmor getragen, und den Boden des Hofes hatte man mit kunstvollen Einlegearbeiten verziert.
In der Mitte war eine Zisterne aus Marmor, daneben stand, im Schatten einer Dattelpalme, eine Bank. Auf der Bank lagen dicke rote Kissen, ein Krug und eine Kelle, ein kleines aufgeschlagenes Buch, und auf dem Boden hatte jemand ein paar grüne Damenpantoffeln zurückgelassen. Von der Trägerin aber war weit und breit nichts zu
Weitere Kostenlose Bücher