Die Lady in Weiß
zu gut für mich, Jeremiah“, flüsterte sie. „Viel zu gut.“
„Im Augenblick bin ich zu gar nichts gut, um die Wahrheit zu sagen“, entgegnete er unwillig. „Aber was ist mit dir, meine Liebste?“
„Mit mir ist alles in Ordnung, jetzt, da es dir besser geht.“ Sie hob seine Hand an ihre Lippen und lächelte unsicher. „Wahrscheinlich hätte ich eher den Vesuv getroffen als Hamil.“
„Das könnte stimmen“, bestätigte er und dachte, wie wundervoll es war, dass sie selbst als Hamils Gefangene noch miteinander scherzen konnten. „An deiner Treffsicherheit müssen wir noch arbeiten.“
Mit lautem Quietschen wurde die Luke über ihren Köpfen geöffnet, und ein breiter Sonnenstrahl fiel herein. Jeremiah fluchte und hob den Arm, um seine Augen zu schützen. Drei von Hamils Männern sprangen durch die Öffnung, ohne sich mit den Stufen aufzuhalten, und bedeuteten Caro und Jeremiah, mit ihnen nach oben zu kommen.
Caro richtete sich auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Captain Sparhawk darf nicht bewegt werden“, sagte sie mit fester Stimme zu dem größten der Männer. Es spielte keine Rolle, dass der Mann kein Englisch sprach, ihr Tonfall und ihre Gesten waren in, jeder Sprache verständlich. „Er hat eine schlimme Kopfverletzung, und ich will nicht, dass ihm noch mehr zustößt.“
Der Mann hob sein bärtiges Kinn. Er war sichtlich erstaunt, von einer Frau in diesem Ton angesprochen zu werden, und fasste nach dem Griff seines Säbels, eine stumme Erwiderung auf ihre Worte.
Aber Caro gab nicht nach. „Ohne Mr Sparhawk werde ich nirgendwo hingehen. Sie können Mr Al-Ameer sagen, dass ...“
„Caro, mein Liebes, lass es“, sagte Jeremiah warnend zu ihr. Er richtete sich schwankend auf und lehnte sich gegen das Schott. „Es lohnt sich nicht, deswegen den Hals zu riskieren. Es könnte ja sein, dass wir Tripolis erreicht haben und an Land gehen sollen.“
„Oh. “ Sofort war sie an seiner Seite, um ihn zu stützen. Die stolze, hochmütige Countess war verschwunden, und übrig blieb nur eine erschöpfte, verletzliche Frau. „Irgendwie wird alles wieder gut, nicht wahr, Jeremiah?“
Er seufzte tief und wünschte, er könnte bei der Wahrheit bleiben und ihr trotzdem Mut machen. „Irgendwie bestimmt, Liebes. Wenn du nur bei mir bist, ist es schon gut.“
Er hatte das Gefühl, ihr glückliches Lächeln nicht verdient zu haben, aber er freute sich trotzdem darüber. Wer wusste schon, wann es wieder einen Grund zum Lächeln geben würde und welches Schicksal ihm bevorstehen mochte. Vielleicht würde diese schöne Erinnerung bald sein einziger Trost sein.
Die Mittagssonne blendete Jeremiah, das Licht schmerzte seine Augen, und er blieb an der Treppe stehen, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen, ehe er Hamil gegenübertrat. Aus den Augenwinkeln bemerkte er flüchtig die Küstenlinie einer weiten Bucht und die weißen Mauern von Tripolis.
Einer der Seeleute stieß ihn vorwärts, und mit fast übermenschlicher Anstrengung schaffte er es, sich von Caro zu lösen und ohne Hilfe zu gehen, trotz der schweren Eisenkette zwischen seinen Füßen. Hamil stand am Steuerrad und beobachtete sie. Jeremiah betete im Stillen, vor den Augen seines Feindes nicht zu taumeln oder gar zu stürzen.
„Sparhawk.“ Sein Blick glitt prüfend über Jeremiah, und er lächelte, als er bemerkte, wie zerrissen und schmutzig Jeremiahs Kleidung war. „Erst heute Morgen fiel mir der Name wieder ein.“
„Hamil oder Gordon. Ich habe ihn nicht vergessen.“ Jeremiah sah Hamil ebenso herausfordernd an und musterte die reichverzierte Kleidung des Schotten. Aufgetakelt wie eine französische Hure, dachte Jeremiah verächtlich. Alles nur Tand und Flitter, sonst nichts.
„Ich nahm deine Chanticleer, Sparhawk“, sagte Hamil langsam und ließ Jeremiah dabei nicht aus den Augen. Der melodische Klang seiner Stimme stand ganz im Gegensatz zu seinen grausamen Worten. „Eine hübsche kleine Brigg. Ich habe sie dem Bey von Tunis verkauft, der gern ein Spielzeug von den Yankees haben wollte. Leider waren die Männer des Beys mehr an den Umgang mit Kamelen gewöhnt. Kaum vierzehn Tage, nachdem ich sie verkauft hatte, ist sie an den Felsen vor Zembra zerschellt.“
Es war, als hätte man ihm ins Gesicht geschlagen, und obwohl Caro mitleidig seine Hand drückte, fühlte Jeremiah sich entsetzlich machtlos. Seine Chanticleer, vor knapp vier Jahren nach seinen Vorstellungen erbaut, war leichtsinnig zerstört worden, wegen der Laune
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