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Die Lady in Weiß

Titel: Die Lady in Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miranda Jarrett
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eines heidnischen Fürsten. Es war, als hätte er einen Freund verloren. Bis jetzt war ihm selbst nicht klar gewesen, dass er noch immer gehofft hatte, zusammen mit David auch sein Schiff zurückzubekommen. Er fragte sich, ob das Schicksal der Chanticleer vielleicht ein böses Vorzeichen war. Vielleicht waren er und Caro dazu verurteilt, genauso wie die Brigg an dieser öden, freudlosen Küste zu enden.
    „Ich bekam dein Schiff letzten Winter, Sparhawk“, sagte Hamil. Mit einer schnellen Bewegung griff er nach dem Kragen von Jeremiahs Hemd und riss es auf. Sofort wich Jeremiah zurück und ballte die Hände zu Fäusten, während der Wind mit den Fetzen seines Hemdes spielte. Auf seiner nackten Brust war unter den kurzen schwarzen Haaren deutlich die lange, gezackte Narbe zu sehen. Hamils Lächeln wurde breiter.
    „Ich nahm deine Chanticleer“, fuhr er fort, offensichtlich erfreut über das, was er sah, „und du hast sie kampflos aufgegeben. “
    „Du lügst“, entgegnete Jeremiah scharf. „Ist diese Narbe nicht Beweis genug? Wir haben bis zum letzten Atemzug gekämpft.“
    „Warum“, höhnte Hamil, „lebst du dann noch, Sparhawk?“
    „Damit du zuerst zur Hölle fahren kannst, Hamil.“ Jeremiah ließ alle Vorsicht außer acht und spuckte Hamil vor die
    Füße. „Ich will an deinem Grab stehen, so wahr mir Gott helfe.“
    „Allahs Wille geschehe“, sagte Hamil und betrachtete seine Stiefel, „du verfluchter Hundesohn.“
    Jeremiah machte einen Schritt auf ihn zu, und sofort waren vier Männer bei ihm und packten seine Arme. Er schlug blindlings nach ihnen, kämpfte gegen seine Hilflosigkeit ebenso wie gegen die vier Männer, die ihn hielten. Doch er war noch schwach, und seine Kräfte waren schnell erschöpft. Als sie ihn grob zurückrissen, reichte sein Atem kaum noch für einen Fluch.
    Aber Caro, wo war Caro? Verzweifelt drehte er sich um, bis er sie entdeckt hatte. Blass und reglos stand sie da, ein Mann mit einem Turban hielt ihre Arme fest. Das Beiboot wurde zu Wasser gelassen, und offensichtlich war sie als Passagier vorgesehen. Mit entsetzlicher Deutlichkeit erkannte Jeremiah auf einmal, wie perfekt er mit seinem Wutausbruch Hamil in die Hände gespielt hatte. Wie sonst hätte man sie so leicht voneinander trennen können?
    „Wo bringst du sie hin?“, fragte er. „Bei Gott, wenn du ihr irgendetwas antust... “
    „Dann wirst du was tun, mein feiner Yankee-Captain?“ Der Schotte kam näher und sah Jeremiah gerade ins Gesicht. In seinen blauen Augen glitzerte es bösartig. Ein magerer Junge kniete sich vor seine Füße und wischte die Stiefel seines Herrn sauber, und als er damit fertig war, trat Hamil ihn achtlos beiseite. „Du kannst ja nicht einmal dir selber helfen. Was willst du dann für die Lady tun?“
    Hamil hätte kaum verletzendere Worte finden können, denn er sagte die Wahrheit. Caro stand jetzt an der Leiter, ihr helles Haar flatterte im Wind, als sie sich hilfesuchend zu ihm umdrehte. Doch er konnte nichts für sie tun. Sie würden sie von ihm fortbringen, vielleicht würde er sie nie Wiedersehen, und er konnte nichts dagegen unternehmen. So viel, dachte er verbittert, über die Macht der Liebe. Er hatte sie alle verloren, sein Schiff, seine Mannschaft, und jetzt auch noch seine geliebte Caro.
    „Aber du bist nicht der einzige feige Amerikaner“, fuhr Hamil verächtlich fort und deutete nach Backbord. „Du hast reichlich Gesellschaft.“
    Dort, im Hafenbecken, lag die Philadelphia, einst der Stolz der amerikanischen Marine, dann auf Grund gelaufen und von dem verwirrten Kapitän an den Pascha übergeben. Anstelle der amerikanischen Flagge, unter der auch Jeremiah gekämpft hatte, flatterte jetzt die grüne Flagge mit den drei weißen Halbmonden im Wind, und sogar aus der Ferne konnte Jeremiah erkennen, wie heruntergekommen das einst so prächtige Schiff inzwischen aussah.
    Die dreihundert Mann starke Besatzung der Philadelphia gehörte jetzt zu den Gefangenen in der Stadt. Er dachte wieder daran, wie seine eigenen Hoffnungen hier in demselben Hafen begraben worden waren, und versuchte, einen letzten Blick auf Caro zu werfen.
    Doch der Platz, an dem sie eben noch gestanden hatte, war leer.
    „Wohin bringen Sie mich?“, erkundigte sich Caro. Von den Ruderschlägen spritzte Salzwasser in ihr Gesicht. Sie klammerte sich an ihren Sitz, während das Boot die Bucht durchquerte. Das Schiff, auf dem Jeremiah zurückgeblieben war, ließ sie dabei nicht aus den Augen. „In ein

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