Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Königs beidseits des Kanals. Ihre mit Salz verkrustete Kleidung verriet, dass die zwölfstündige Fahrt über die stürmische See noch nicht lange zurücklag. Kettenhemden und Waffen waren in den Ecken des Raumes aufgehäuft. Ihre Anführer schienen William de Tracy, Richard le Bret und Hugh de Morville zu sein, alle im Alter von Christians Vater. Sie galten als die Getreuesten der Ritter des Königs.
Als Guy mit de Tracy kurz vor Sonnenuntergang auf der Straße zusammengetroffen war, hatte der Ritter darauf bestanden, dass er und Christian mit ihm tranken, ehe sie sich zu de Boisverts Haus begaben. Waren sie denn nicht nach Canterbury gekommen, hatte Guy gefragt, um dem Ruf des Königs folgend England vor den Machenschaften des Erzbischofs zu schützen? De Tracy wüsste sicher, wo sich die Gefolgsleute des Königs sammelten.
Christian hatte eingewilligt, in dieses Haus unweit St. Augustine’s Abbey zu kommen, doch anstatt der erwarteten großen Helden hatte er diese heimliche Ritterrunde angetroffen, die sich betrank und mit jedem Schluck sicherer zu wissen glaubte, dass der König den Tod Beckets wünschte. Alle starrten sie nun Christian in Erwartung seiner Antwort an.
Guy sprang auf und hob seinen Humpen. »Ich bin dabei. Uns winkt ein großes Abenteuer. Mach mit, Christian.«
»Wobei?« Auch Christian erhob sich. »Der König würde nie den Tod des Erzbischofs befehlen.«
»Er trug uns auf, Becket zu erledigen, den er einen Schreiberling niedriger Abkunft nannte«, sagte de Tracy und füllte seinen Humpen aus dem Krug nach.
»König Henry ist für seine Wutanfälle bekannt. Äußerte er diese Worte im Zorn?«
De Tracy knallte seinen Humpen auf den Tisch. »Er hat allen Grund zu zürnen. Becket benutzte die Exkommunikation als Waffe, um den Thron zu schwächen.« Er trank einen Schluck und fuhr mit finsterer Miene fort: »Wir müssen dem Willen des Königs folgen, sonst wären wir die Memmen, als die er uns beschimpfte.«
Guy legte Christian eine Hand auf die Schulter. Als brüderliche Geste oder um sich auf den Beinen zu halten? »Warum zögerst du? Das ist die Chance für dich, genau das zu tun, was du tun musst. Mach mit und beweise dem König und dem ganzen Land deinen Mut.«
»Indem ich einen unbewaffneten Priester meuchle?«
»Indem Ihr den Willen des Königs ausführt«, knurrte einer der Männer.
»Die holde Avisa wird dein sein.« Guy, über dessen Kinn Ale floss, lachte. »Ist es nicht das, was du möchtest?«
»Wer ist Avisa?«, fragte jemand.
Guy, der es sichtlich genoss, im Mittelpunkt zu stehen, stützte sich mit einer Hand auf den Tisch. »Avisa de Vere aus dem Kloster St. Jude raubte meinem Bruder das Herz, als er ihr die Jungfernschaft raubte. Sie hat ihn auf jede mögliche Art zum Narren gemacht.«
Christians Faust traf den Magen seines Bruders, ehe er sich in blindem Zorn dessen bewusst wurde. Guy warf den Humpen nach ihm, und Christian duckte sich unter den wild zuschlagenden Fäusten seines Bruders. Er stieß Guy gegen die Wand und drückte dessen Schultern dagegen, bis Guys Widerstand erlahmte.
»Du wirst von Avisa stets mit gebührendem Respekt sprechen«, stieß Christian zähneknirschend hervor.
»Ich wollte sie nicht beleidigen«, erwiderte Guy mit trunkenem Grinsen. »Sie ist eine sehr gewitzte Frau. Du bist ihr Narr.«
Fluchend versetzte Christian seinem Bruder wieder einen Stoß.
»Seid Ihr fertig?«, fragte de Tracy in schleppendem Ton und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen. »Wir warten auf Eure Antwort, Lovell.«
»Ich sagte Euch schon, dass …«, setzte Guy an.
»Deine Antwort kennen wir.« De Tracy packte Guys Arm im Kampfgriff und zog ihn wieder zum Tisch. Alle brüllten vor Lachen, als die Bank unter ihnen schwankte und Guy ein voller Humpen zugeschoben wurde. Der Ritter blickte Christian eindringlich an. »Wir warten auf Eure Antwort, Lovell. Euer Vater ließ Henry Curtmantle in seinen schlimmsten Stunden im Stich.« Seine Stimme senkte sich zu einem drohenden Knurren. »Wollt auch Ihr König Henry im Stich lassen?«
»Niemals!« Christian griff nach dem Ale, das ihm jemand in die Hand drückte. »Ich schwor, dem König zu dienen. Ich lasse ihn nicht im Stich, auch heute nicht – niemals!«
»Auf Ruhm und Ehre!«, rief jemand.
Alle sprangen auf. »Auf Ruhm und Ehre!« Man stieß an, dass die Humpen klangen, und trank darauf.
Christian fragte sich, ob das Ale der anderen auch so bitter war wie seines.
22
Canterbury war
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