Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
was nützen sie uns?«
»Nicht uns. Dir. Wenn du Christian nachreitest, kannst du ihm melden, dass ich hier seine Hilfe brauche.«
»Das kann ich nicht. Ich versprach, hierzubleiben.«
»Aber …« Sie seufzte. Der Junge würde sich nicht bewegen lassen, seinem Gelöbnis zuwiderzuhandeln. »Na schön, dann müssen wir etwas anderes versuchen.«
»Was denn? Ihr steht unter Bewachung.«
Den Raum durchmessend, überlegte sie diese Frage. Als sich die Tür wieder öffnete, erstarrte sie. Ihre Schultern entspannten sich erst, als sie ihre Mitschwestern aus dem Kloster sah. Sie hatten ihre Mäntel an und trugen kleine Säcke. Ermangardine starrte zu Boden wie am Tag zuvor, aber Mavise trat vor.
»Avisa, ich fordere dich auf, mit uns zu kommen.«
»Das kann ich nicht. Ich habe noch etwas zu erledigen.« Avisa legte ihren Arm um Baldwins Schulter. » Wir haben noch etwas zu erledigen.«
»Sir Christian weiß jetzt, dass dich die Königin schickte, daher wird nichts, was du sagst oder tust, ihn davon abhalten, nach Canterbury zu gehen.«
»Er ist bereits fort.«
Mavise zuckte zusammen. »Wenn die Situation wirklich so brisant ist, wie man munkelt, wird er bei seiner Ankunft vielleicht feststellen müssen, dass der Kampf zwischen den Anhängern des Erzbischofs und jenen des Königs bereits begonnen hat.«
»Ist dir etwas zu Ohren gekommen?«
Die blonde Frau nickte. »In der Halle hört man, dass Becket sich für mächtiger hält, als jedem Sterblichen gebührt.«
»Das ist wahr, da er den König von England herausfordert.«
»Es steht zu befürchten, dass er nach einem chirurgischen Eingriff im Exil vor Schmerz den Verstand verlor. Auch noch so inbrünstige Gebete erlösten ihn nicht von dem Übel, das einen Arzt zwang, von Knochenfäule befallene Teile aus dem Kiefer zu entfernen.«
»Die Entscheidungen, die er seit seiner Rückkehr traf, sind die eines Wahnsinnigen. Alles was er tut, zielt darauf ab, die Menschen aufzuwiegeln. Anstatt die Liebe der Menschen zu gewinnen, entfremdet er sie sich durch seine eiserne Entschlossenheit, den König zur Anerkennung seiner Allwissenheit zu zwingen.«
»Das erbittert die Barone.«
»Ich weiß. Deshalb muss ich Christian davon abhalten, nach Canterbury zu gehen.«
»Er wird nicht auf dich hören.« Sie legte ihre Hand auf Avisas Schulter. »Es ist ein Jammer, dass er die Wahrheit erfuhr, doch was gesagt wurde, wurde gesagt. Es ist zu spät, es zu ändern.«
»Es ist nicht zu spät«, widersprach Avisa.
»Meine Schwester, seit langem schon bewundere ich deine Klarsicht. Du darfst nicht zulassen, dass dein Herz dir den Blick trübt. Es ist zu spät.«
»Nein!« Sie wandte sich ab. »Die Königin trug mir auf, ihren Patensohn zu beschützen, und das werde ich bis zum letzten Atemzug tun.« Sie biss sich auf die Lippen, als ihr einfiel, dass sie eben diese Worte zu Christian auf der Burgmauer gesagt hatte.
»Weil du ihn liebst.«
Avisa blickte Mavise erstaunt an. »Woher weißt du das?«, hauchte sie.
»Keine Frage … zwischen euch ist Liebe.«
»Aber diese Liebe kann nichts an meinem Versprechen ändern, das ich der Königin gab. Ich gelobte, alles zu unternehmen, um Christian von Canterbury fernzuhalten, und das werde ich tun.«
»Sei auf der Hut«, mahnte Mavise. »Du könntest verletzt werden.«
Nie wieder kann ich schlimmer verletzt werden, als es mir schon widerfuhr . »Ich weiß.«
»Wie können wir dir helfen?«
Avisa lächelte ihren Mitschwestern und dann Baldwin zu, der mit offenem Mund und sichtlich geschockt lauschte. Er durfte die Wahrheit nicht hören. Später würde sie ihm alles erklären. Aber jetzt … Sie durchmaß den Raum und hielt inne, als sie den Arzneibeutel auf dem Tisch sah. Sie öffnete ihn und entnahm ihm ein Knäuel. Ein Ende des starken Fadens festhaltend, warf sie es durch den Raum. Es mussten zehn oder mehr Fuß Faden sein.
»Ich gehe zur Messe«, sagte sie und sah ihre drei Helfer an. »In der Kapelle wird Gedränge herrschen, deshalb dürfte es nicht schwierig sein, zwischen mir und dem Gefolgsmann meines Vaters Abstand zu schaffen.«
»Sag uns, was wir tun sollen«, forderte Ermangardine sie auf, die endlich den Kopf hob.
»Als Erstes habe ich eine Aufgabe für Baldwin.«
Seine Miene erhellte sich vor Eifer. »Was soll ich tun, Mylady?«
»Mit diesem Faden wirst du das zusammennähen.« Sie zog an den Bettvorhängen. »Während ich mich anziehe, nimmst du die Vorhänge ab und schneidest sie in Streifen. Wir werden sie
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