Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Moment aufzustöhnen. »Für euer Liebesgeplänkel ist später Zeit. Schafft mich erst irgendwohin, wo ihr mir diesen verdammten Pfeil herausziehen könnt.«
Avisa entfernte sich von Christian, der seinen Bruder finster anblickte. Weil er ihn unterbrochen hatte oder weil er wütend auf Guy und sie war?
»Baldwin, bring Guys Pferd«, befahl Christian. »Er kann keinen Schritt mehr gehen.«
Zu dritt schafften sie es, Guy quer über den hölzernen Sattel zu legen. Avisa hatte das Gefühl, dass er nichts dazu getan hatte, außer zu klagen, dass sie ihm noch ärgere Schmerzen zufügten. Sie hätte zu gern gefragt, ob er immer so ein Jammerlappen war, konnte aber nicht riskieren, Christian so zu erzürnen, dass er sich entschloss, ihr die Rettung »ihrer Schwester« allein zu überlassen.
Als sie die Zügel der anderen Pferde nahm, sagte Christian leise: »Avisa, begeht nie wieder die Torheit, einfach davonzulaufen. Ich möchte nicht bereuen müssen, Euch zu Hilfe gekommen zu sein.«
»Die Männer haben mich nicht gesehen, und wir mussten wissen, ob sie unsere Fährte aufnahmen.«
Seine Miene verriet ihr, dass er ihr beipflichtete. Wieder konnte sie nicht erkennen, ob er wütend war, weil sie Recht hatte oder weil sie sich einer Gefahr ausgesetzt hatte.
Sie merkte, dass sie sich in beiden Punkten geirrt hatte, als er sagte: »Ich erwarte, dass wir alle zusammenbleiben, damit wir einander schützen können.«
»Unter Eurer Führung?«
»Ja.«
Sie kämpfte gegen ihren Widerspruchsgeist. In der Abtei war sie wegen ihres Könnens und ihrer Führungsqualitäten anerkannt. Die Äbtissin hatte sie vor ihrem Aufbruch gewarnt, dass außerhalb der Klostermauern andere Verhältnisse herrschten und sie sich entsprechend verhalten musste. Es ärgerte sie, sich bescheiden zu müssen, doch Widerspruch hätte vielleicht seinen Argwohn geweckt und ihn zu Fragen veranlasst, die sie nicht beantworten durfte.
»Seid Ihr einverstanden, Avisa?«, fragte er, als sie weiter schwieg.
Ehe sie antworten konnte, fragte sein Bruder ungehalten: »Könnt ihr das nicht besprechen, nachdem ihr den Pfeil herausgezogen habt?«
Christian entschuldigte sich bei Guy, ohne sie aus den Augen zu lassen. Wollte er ihr mit seinem unverwandten Blick Angst machen? Fast musste sie lachen. Mit Taktiken wie diesen konnte er vielleicht andere Frauen einschüchtern, doch sie verstand sich selbst auf diese Tricks.
Ein Vogel kreischte, als er hinter Avisa vorüberflog. Sie schaute den Jungen an, der ein schuldbewusstes Stirnrunzeln zur Schau trug. Wenn sein gedankenloses Umherstreifen im Unterholz sie verraten hatte und die Banditen erneut die Verfolgung aufnahmen …
Sie schnappte nach Luft, als Christian seine Hand auf ihren Arm legte. Die Hitze seiner Finger durchdrang den wollenen Ärmel und erinnerte sie daran, wie seine Arme sie sanft an seine warme Brust gedrückt hatten. Warum dachte sie jetzt daran?
»Alles wird gut«, raunte er und bedeutete ihr voranzugehen.
Sie schluckte schwer. Sich durch das Rankendickicht zwischen den Bäumen kämpfend, war sie froh, dass sie ihm den Rücken kehren konnte.
Christian hatte auf die Berührung nicht reagiert. Vielleicht hatte er die Verbindung nicht gespürt, die sie mit jäher Lust erfüllte. Sie musste ihm nacheifern, da sie sich keine Torheiten leisten konnte und die Königin nicht enttäuschen durfte.
Es wurde nicht gesprochen, als sie durch den Wald gingen. Die Finsternis machte die Pfade zwischen den kahlen Bäumen hindurch fast unsichtbar, und Avisa war erleichtert, als der Mond aufging und sein kaltes Licht auf sie fiel. Zog sie sich eine Verletzung zu, war zu erwarten, dass Christian einen Ort finden würde, wo man sich ihrer annahm, während er die Reise nach Canterbury fortsetzte.
Sie lächelte, als sie die zwei aufeinandergelagerten Felsblöcke erkannte. Bei der Ausarbeitung ihres Plans war sie nicht sicher gewesen, ob sie diese Zuflucht brauchen würde, und nun war sie froh, dass sie die Lichtung vorsorglich erkundet hatte.
»Wartet hier«, sagte sie und hob die Hand, als sie die Leitseile der Pferde über einen starken Strauch schlang.
»Worauf?«, fragte Christian.
Die Frage erstaunte sie nicht. Er hatte bisher alles, was sie gesagt hatte, in Frage gestellt.
»Wartet nur.« Sie deutete auf die Bäume, hinter denen es heller wurde. »Ich möchte sicher sein, dass uns auf der Lichtung dort vorne keine Falle erwartet.«
Er trat vor und zog sein Schwert. »Ich werde nachsehen.«
Sie bedeutete
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