Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
wohl?«
Ehe sie antworten konnte, erhob sich Christian. Mit finsterer Miene stützte er die Hände auf den Tisch. »Was für Dummheiten treibt Ihr da?«
Sie verschluckte die Worte, die in ihr brodelten. Sie hatte neben ihrem Gastgeber gesessen und ihn nach Informationen ausgehorcht, die für ihre Weiterreise nützlich sein konnten, als Christian erschien und sie wegdrängte wie ein eifersüchtiges, nach Beachtung gierendes Kind.
In ihrem liebenswürdigsten Ton sagte sie: »Ach, ich wollte Euch nur dienen , indem ich Euer Messer aufhob. Dienen ist doch das, was Ihr erwartet, oder?«
»Avisa …«
»Hier ist Euer Messer!« Sie hob das Messer auf und stieß es in die vordere Tischkante. Ausrufe des Staunens ertönten um sie herum, doch niemand sagte ein Wort, als sie zum nächsten Türbogen schritt.
Christian hörte wieherndes Lachen und fasste seinen Bruder ins Auge, auf dessen Schoß eine Magd saß. Guy aber hatte nur Augen für die junge Frau, die ihn auf die Wange küsste. Christian wünschte, sein Bruder würde sich einmal etwas anderem widmen als der nächsten Verführung.
Damit er selbst an seine … an Avisa denken konnte. Mit einem Fluch brachte Christian diesen Gedanken zum Schweigen. Nur ein Mann ohne Verstand würde erwägen, mit einer solchen Frau ins Bett zu gehen. In seinen Armen konnte sie sanft sein, die übrige Zeit aber war sie stachlig wie ein Dornenzweig. Er durfte nur an die Rettung ihrer Schwester denken. War dieses Ziel erreicht, konnte er beiden Lebewohl sagen.
Als Baldwin gelaufen kam und fragte, ob er Avisa folgen solle, gebot er ihm Schweigen. Er wollte seinen Pagen nicht dazu verdonnern, Avisa gegenüberzutreten, wenn sie so schlechter Laune war.
»Tu, was ich dir auftrug«, wies er den Jungen an.
Baldwin nickte kleinlaut und suchte sich einen Standort, von dem aus er den Alten im Auge behalten konnte, der alles zu beobachten schien, was sie taten. Vielleicht gelang es ihm, den Grund dafür herauszufinden.
De l’Isle starrte ihn verblüfft an. »Was für eine Wildkatze! Vielleicht habt Ihr sie doch nicht so fest im Griff, wie ich dachte, Lovell.«
»Die holde Avisa«, sagte Guy lachend, als er die Magd vom Schoß schob und ihr einen Klaps auf die Kehrseite versetzte, »neigt dazu, die sonderbarsten Dinge zu den ausgefallensten Zeiten zu tun. Auf dem Weg hierher …«
Christian wartete nicht ab, welche Mär sein Bruder spinnen wollte. Das Schneidbrett beiseiteschiebend setzte er über den Tisch. Ohne des Schmerzes zu achten, der seinen Knöchel durchzuckte, riss er sein noch bebendes Messer aus dem Holz. Als Baldwin ihm folgen wollte, bedeutete er ihm noch energischer, seinem Befehl nachzukommen.
»Ich komme gleich wieder«, sagte er, mehr um den Jungen zu beruhigen, als sich bei der Tischgesellschaft zu entschuldigen.
»Gebt Acht, dass Sie Euch den Dolch nicht in den Leib stößt«, sagte de l’Isle auflachend und wandte sich Guy zu, um weiter zu hören, was dieser zu erzählen hatte.
Christian ging Avisa nach. Er fluchte leise, als aus der Halle wieder Gelächter zu hören war. Würde er denn in diesem Kampf, der im Gange war, seitdem sie aufeinandertrafen, nie die Oberhand gewinnen? Er schnaubte vor Wut. Meist konnte er sich auf seinen ersten Eindruck verlassen, doch in Avisa hatte er sich gründlich geirrt. In ihrer Bedrängnis nach dem Überfall hatte sie ganz zart gewirkt, völlig auf seine Hilfe angewiesen. Erst als sie ihm befahl, sein Pferd in den Wald zu lenken, hatte das eigentliche Kräftemessen begonnen.
Es war Zeit, es zu beenden, Zeit für sie einzugestehen, dass sie ihn brauchte.
Er stürmte durch den Gang hinter der Halle, ohne jener zu achten, die aus dem Weg sprangen, um nicht umgerannt zu werden. Er war so darauf erpicht, Avisa einzuholen, dass er fast an dem offenen Fenster vorübergelaufen wäre, wo sie mit einer Magd sprach.
»Auf ein Wort, Avisa«, sagte er.
Sie wandte sich ihm zu, während die Magd mit einem ängstlichen Blick zurück davonlief. »Weswegen? Wegen Eures rüpelhaften Benehmens oder Eurer beleidigenden Bemerkungen? Oder wollt Ihr Euch entschuldigen, weil Ihr versucht habt, mich aus Gründen, die mir schleierhaft sind, von der Bank zu stoßen?«
»So wie Ihr Euch benommen habt, habt Ihr unserem Gastgeber mangelnden Respekt erwiesen.«
»Ich?« Vor Schreck verschlug es ihr die Sprache.
Er machte sich diesen momentanen Augenblick der Schwäche zunutze und sagte: »Die Gunst, an seiner Tafel sitzen zu dürfen, habt Ihr missbraucht,
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