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Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)

Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)

Titel: Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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Kind trösten wie ihre Schülerinnen? Mit einem Klaps auf den Arm und der Ermahnung, besser Acht zu geben?
    Das Kind stieß erneut ein Klagegeheul aus, als es den Blick auf Avisa richtete. Nicht auf sie, sondern hinter sie.
    Avisa staunte nicht schlecht, als Christian das kleine Mädchen hochhob, das in seinen Armen noch kleiner aussah. Er murmelte etwas, das Avisa nicht verstehen konnte.
    Das Kind blickte zu ihm auf. Noch immer flossen Tränen über das Gesicht der Kleinen, ihr Schluchzen aber klang gedämpfter.
    »Wo hast du dir wehgetan?«, fragte er.
    Das Kind hob wie vorhin die rechte Hand, drehte sie aber so, dass Avisa, als sie aufstand, eine hellrote Linie auf der Handfläche sehen konnte. Das Rot war kein Blut, sondern eine Abschürfung. Die Kleine musste auf den unebenen Steinen ausgeglitten sein.
    »Tut es weh?«, fragte er.
    Sie nickte.
    Er führte das Händchen an seine Lippen und drückte hörbar einen Kuss darauf. Das kleine Mädchen kicherte.
    »Wieder gut?«, fragte er.
    Die Kleine nickte.
    Er stellte es hin und schickte es mit einem sanften Klaps auf die Kehrseite auf den Weg, worauf das Mädchen wacklig zum Hauptturm lief.
    Christian legte Avisa seine Hand auf die Schulter. »Die kleine Schürfwunde an der Hand des Kindes hat Euch tief verstört. Warum?«
    Fast wäre sie mit der Wahrheit herausgeplatzt, als die Wärme seiner Finger sie drängte nachzugeben. Stattdessen trat sie zurück. »Sie erinnerte mich an jemanden.«
    Sein Gesicht verfinsterte sich vor kaum unterdrücktem Zorn, und sie fragte sich, wie sie sich mit ein paar Worten verraten konnte. Die Hand am Schwertgriff, umhüllt von seinem im Wind flatternden Mantel, hätte er ein Racheengel sein können. Oder eher einer der Handlanger des Teufels, da sie sich nicht vorstellen konnte, er würde einem Feind die andere Wange hinhalten. Er war ein Krieger, ein Mann, der gewillt war, mit seinem Tod zu beweisen, dass er das Herz eines Wolfes besaß. Es war anzunehmen, dass er es nicht leicht nehmen würde, als Tölpel dazustehen.
    Sie entdeckte, dass sie sich grundlos sorgte, als er sagte: »Euch muss mehr als das Schicksal Eurer Schwester bekümmern. Sicher waren nach dem Überfall noch andere Opfer zu beklagen.«
    »Ja.« Das Wort schmeckte wie sauer gewordene Milch. Ehe sie die Tore der Abtei hinter sich gelassen hatte, war sie immer aufrichtig gewesen. Jetzt lügen zu müssen – Christian belügen zu müssen – erschien ihr immer verabscheuungswürdiger.
    Seine Worte waren so angespannt wie die Linien, die sich in seine Stirn schnitten. »So viele Dinge müssen Euch an den Verlust erinnern.«
    »Daran versuche ich nicht zu denken. Ich konzentriere mich auf das, was ich tun muss.« Wenigstens war das keine Lüge, obwohl sie es darauf anlegte, dass er die Worte missverstand.
    Das tat er denn auch, und wieder spürte sie, wie Schuldgefühle sie zerrissen. »Ich bezweifle, ob viele Frauen so viel Mut haben wie Ihr.«
    »Mut ist für Euch wohl sehr wichtig?«
    »Wie jedem, der schwor, unserem König zu dienen.« Er verzog den Mund. »Für jemanden, in dessen Adern das Blut der Lovells fließt, ist es doppelt wichtig zu zeigen, dass unser Geschlecht noch mutige Kämpfer hervorbringt.«
    »Euer Vater …«
    »Sprecht jetzt nicht von ihm, Avisa.«
    Sein Ton war so gehässig, dass seine Warnung sie fast schaudern ließ. Ein Blick ringsum zeigte ihr, dass sich nur wenige Menschen im Hof befanden, und niemand war so nahe, dass er von ihrem Gespräch etwas mitbekommen hätte, doch ihn schien das ohnehin nicht zu kümmern. Sich ihrer Familie zu schämen, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. An die Eltern, denen sie ihr Leben verdankte, konnte sie sich kaum erinnern. Ihre Familie bestand aus den Menschen innerhalb der Mauern von St. Jude’s Abbey, von denen jeder es auf seinem Gebiet zur Meisterschaft gebracht hatte. Diese Vollkommenheit brachte der Abtei Stolz und Ehre, auch wenn Stolz als Sünde galt.
    »Was ist so komisch?«, wollte Christian in unverändert strengem Ton wissen.
    »Komisch?«
    »Ihr lächelt. Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr die Schmach meiner Familie komisch findet.«
    »Davon kann keine Rede sein!« Wieder wünschte sie, sie könnte aufrichtig sein.
    »Während unserer kurzen gemeinsamen Zeit habt Ihr viel über meinen Vater erfahren.« Er umfasste ihr Kinn und hob es an. »Habt Ihr auch so viel über mich erfahren?«
    »Ich dachte, ich hätte es.«
    »Aber?«
    Sie trat zurück und reichte ihm seinen Dolch. Als er diesen in die

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