Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
»Und jetzt geh schlafen. Ich werde es auch tun, sobald ich mich auf das Treffen mit Pyt vorbereitet habe.«
Er nahm ihre Hände und beugte sich über diese. »Ich weiß, Ihr werdet die richtigen Worte finden, so wie Ihr heute die richtigen gefunden habt, Mylady.«
»Gute Nacht, Baldwin.«
»Gute Nacht, Mylady«, sagte er leise.
Als er hinausging, erlosch ihr Lächeln. Ja, sie müsste die richtigen Worte finden. Die falschen konnten für Christian den Tod bedeuten.
»Die Stunde ist nahe.«
Christian hob den Kopf und kämpfte gegen das Gähnen an, das ihn hinten in der Kehle kitzelte. Er war die ganze Nacht über wach geblieben, da er den Räubern nicht traute. Feig, wie sie waren, würden sie ihn womöglich töten, ehe er erwachte und sich zur Wehr setzen konnte.
Fast hätte er bei dem Gedanken aufgelacht. Gestern konnte er sie nicht abwehren. Die Burschen waren wie ein wilder Bienenschwarm zwischen den Bäumen hervorgeschwärmt. Zunächst konnte er sie sich vom Leib halten, und einige waren gefallen. Schließlich aber musste er sich der Übermacht ergeben und war gefangen genommen worden. Seine anfängliche Hoffnung, mit Guy gemeinsam eine Flucht aushecken zu können, war zunichtegeworden, als er entdeckte, dass man seinen Bruder freigelassen hatte.
Das ergab keinen Sinn, aber bei den Räubern ergab nichts einen Sinn. Sie hatten ihn und sein Gepäck durchsucht und ihn in seinem Kettenhemd an den Baum gebunden. Ein Blick ringsum hatte ihm gezeigt, dass die Lichtung, auf der er saß, kahl war. Nicht die kleinste Hütte war zu sehen. Lebensmittel und Abfälle wurden nebeneinander an einem Bach, der die Lichtung begrenzte, aufgehäuft. Menschen wurden zwischen den Bäumen sichtbar und verschwanden wieder. Ihre grobe Kleidung bestand aus schmutzigen Lumpen, jeder hatte um den Hals ein Lederband mit mindestens einer Glasperle daran. Wenige blickten in seine Richtung. Ganz im Gegenteil, es sah aus, als würden sie ängstlich seinen Blick meiden.
Mit Ausnahme eines muskulösen Mannes, der auf ihn zukam. Der Mann hätte Steinmetz oder Holzfäller sein können. Seine Arme waren sehnig. Helles Haar hing um seine Schultern, ein dichter Bart bedeckte die untere Gesichtshälfte. Nahezu farblose Augen blicken ihn unter buschigen Brauen hervor an.
Als er sich vor Christian hinhockte und lächelte, ließ er einen fast zahnlosen Mund sehen. »Hoffentlich habt Ihr es einigermaßen bequem, Lovell, da es aussieht, als wärt Ihr länger unser Gast, als wünschenswert ist.«
»Seid Ihr es, den man Pyt nennt, wie ich hörte?«
»Der bin ich.« Er lachte, und auf der Lichtung drehten sich Köpfe nach ihm um.
Christian sah Furcht in jenen Gesichtern, ehe die Leute sich hastig wieder abwandten. Womit hatte dieser Mann sie so fest im Griff?
»Es scheint da ein Problem zu geben«, fuhr Pyt fort. »Mit der Vereinbarung Euer Lösegeld betreffend geht es nicht nach Plan.«
»Ihr habt meinen Bruder freigelassen, um dies zu regeln. Er …«
»… er hört auf die Befehle eines Frauenzimmers.« Pyt stocherte zwischen seinen zwei letzten Zähnen und lachte. »Vielleicht gibt sie ihm bessere Ratschläge, als die Berater Eures Vaters diesem erteilten, als er an der Seite Henrys of Anjou kämpfte.«
Christian, dem das närrische Verhalten seines Bruders erregte Röte in die Wangen getrieben hatte, erblasste. »Mein Vater? Ihr kennt meinen Vater?«, stieß er hervor.
»Jeder kennt Robert Lovell und seine Feigheit.« Wieder lachte er. »Ich war froh, dass er sich entschloss, nicht für König Stephen einzutreten.«
Christian kämpfte gegen den roten Nebel der Wut an. Schmähungen wie diese hatte er schon oft zu hören bekommen, und er hatte lernen müssen, dass er nur Spott erntete und nichts gewann, wenn er die Beherrschung verlor. Der König hatte seinen Treueid akzeptiert, ein Zeichen, dass Henry der Meinung war, die Familienehre der Lovells könne wiederhergestellt werden.
Als Christian auf die verächtlichen Worte des Banditen nicht reagierte, sagte Pyt: »Hätte Euer Vater Henry tatkräftiger beigestanden, wäre jetzt anstatt dieses Betrügers Stephens Sohn unser König.«
»Ihr wart Stephens Gefolgsmann?«
Pyt streckte mit einem Ruck die Hände aus. »Was glaubt Ihr, weshalb wir uns in den Wäldern verbergen? Wir verweigern einem Mann, der den Thron stahl und seinen Sohn krönte, um zu verhindern, dass seine Linie wieder über den Kanal zurückgetrieben wird, unseren Treueid.«
Christian, der sich so zurechtsetzte, dass
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