Die Lady mit dem Schwert: Roman (German Edition)
Öllampen qualmten, vermochten aber den Geruch nach verdorbenem Fleisch und Hundekot nicht zu übertönen.
Die Wirtin, eine Frau mit dichtem grauem Haar und faltigem, aber noch immer schönem Gesicht, geleitete Avisa und Guy durch den Schankraum in ein Extrazimmer, das freilich in nicht viel besserem Zustand war. Erwartungsvoll harrte sie ihrer Reaktion auf das windschiefe, mit Stroh bedeckte Bettgestell und das Fenster, dessen Balken lose in den Angeln hing.
Avisa sagte leise: »Es genügt. Danke.«
Sie sah Guy finster an, der den Mund öffnete, um eine Bemerkung zu machen, die ihrer Vermutung nach spöttisch wäre. Auf dem kurzen Weg zur Schänke hatte er ununterbrochen gejammert. Er wollte sein Pferd. Er war Sohn eines Barons, und der Sohn eines Barons sollte nicht laufen. Er fror. Er war durstig. Warum wurde Baldwin nicht vorausgeschickt, um Pferde zu besorgen? Sie hatte seine Anspielung ignoriert, wie man sich die Zeit in Baldwins Abwesenheit vertreiben könnte, so wie sie auch nicht auf seine Idee eingegangen war, den Pagen den ganzen Weg zur Schänke laufen zu lassen, obwohl man Baldwin ansah, dass er an seiner Verletzung und seiner Angst um Christian doppelt litt.
»Lady Avisa ist sehr höflich«, sagte Guy, ehe er zurück in den Schankraum ging und nach Ale rief.
»Lady?« Die Wirtin machte große Augen. »Wir hatten noch nie eine echte Lady unter unserem Dach. Es ist uns eine Ehre, Mylady. Sagt mir, was Ihr wünscht, und ich werde dafür sorgen, dass es gebracht wird.«
Avisa streifte ihre Handschuhe ab und warf sie auf die Bettstatt. »Wir erwarten eine Nachricht. Ich wüsste es zu schätzen, wenn Ihr den Boten unverzüglich zu mir schickt. Pyt schickt ihn.«
»Pyt?« Die Augen der Frau wurden noch größer. »Mylady, Ihr solltet mit einem solchen Kerl nichts zu schaffen haben.«
»Ich muss aber.« Sie hatte nicht die Absicht, sich näher zu erklären.
»Pyt und seine Kumpane sind nicht nur gewöhnliche Strauchdiebe, Mylady.«
»Das hörten wir. Sie tragen Glasperlen um den Hals. Wisst Ihr, ob diese eine Bedeutung haben?« Sie dachte an den silbernen Ring, den Guy ihr gegeben hatte. Die Perle mit der Marmorierung ähnelte jenen der Räuber.
»Wer weiß, ob diese Perlen nicht eine schlimme Bedeutung haben? Die Bande ist eine Ausgeburt der Hölle und will das Land in die Finsternis zurückführen.«
»Auch davor wurden wir gewarnt.« Sie warf einen Blick durch die Tür zu Guy und Baldwin, die in ein Gespräch vertieft waren. Der Page runzelte die Stirn, woraus sie schloss, dass Guy über eine Äußerung des Jungen ungehalten war. »Aber wir haben keine andere Wahl. Wir müssen warten, ob er mit uns in Verbindung tritt.«
»Pyt wird sich melden.«
»Das hört sich an, als wären diese Angriffe etwas ganz Gewöhnliches.«
»König Henry der Ältere ist jenseits des Kanals, und von König Henry dem Jüngeren heißt es, dass es mit seiner Macht nicht weit her ist.« Die Wirtin senkte die Stimme. »Da nun Erzbishof Thomas wieder in England ist, haben die hohen geistlichen Herren für weltliche Dinge keine Zeit mehr. Sie müssen sich entscheiden, ob sie es mit dem Erzbischof oder mit dem König halten.«
»Wollt Ihr damit sagen, dass wir mit Pyt und seinen Spießgesellen ohne Beistand des Constable verhandeln müssen?«
Die Frau lachte grell auf. »Der Constable weiß Besseres, als Pyt in die Quere zu kommen. Der letzte Constable brüstete sich mit der Auslöschung der Banditen. Man fand ihn zerstückelt und über das ganze Kirchspiel verteilt.«
Avisa legte die Hand auf ihren Magen, der seinen gesamten Inhalt von sich zu geben drohte. »Dann müssen wir mit diesen Schurken selbst verhandeln.«
»Mylady, Euch muss klar sein, dass man mit Pyt nicht verhandelt. Er stellt die Bedingungen und wird bezahlt.«
»Und was verlangt er?«
Ein Schaudern überlief die Frau. »Was sein Opfer am wenigsten zu zahlen bereit ist. Wenn Ihr Euren Freund lebendig wiedersehen wollt, werdet Ihr tun, was er sagt. Ein Fehler, und ihr alle seid tot oder werdet wünschen, es zu sein.«
14
»Mag ja sein, dass wir auf das Treffen mit Pyt warten müssen, das heißt aber nicht, dass wir untätig herumsitzen werden.« Guy setzte seinen Humpen an und trank. Dann ließ er ihn auf den Tisch fallen.
»Und was sollen wir tun?« Avisa sah an Baldwin vorüber, der neben ihr auf der Bank im Schankraum saß. Die Nachricht von Christians Entführung musste sich mit Windeseile in der ganzen Gegend verbreitet haben.
In der
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