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Die Lady mit der Feder - Roman

Die Lady mit der Feder - Roman

Titel: Die Lady mit der Feder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley Anke Koerten
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wieder riesige Trümmer in die bereits eingestürzte Kathedrale. Wo war Jordan? Sie konnte durch die Staubwolken nichts sehen. Wenn er ums Leben käme … Der Gedanke trieb ihr Tränen in die Augen.

    Es blieb ihr keine Zeit, sich Sorgen zu machen. Immer wieder wurde sie gerufen, um nach Verletzten zu sehen. Mönche gingen von einem zum anderen und boten die Kräutermischung an, die sie empfohlen hatte. Sie sah zu, wie einer nach dem anderen sich die Salbe auf Wunden auftragen ließ, den Mohntrunk schluckte und im Schlaf kurz Erholung fand, ehe er sich dem stellen musste, was vor ihm lag.
    Es dunkelte schon, als Bruder James ihr mit einer gewissen Strenge, da sie zuvor nicht auf seinen Rat gehört hatte, riet, sich auszuruhen. Er drückte ihr einen Becher Wein in die Hand. »Kommt erst wieder zur Arbeit, wenn Ihr das geleert habt.«
    »Wenn ich das auf leeren Magen rasch austrinke, wird mir übel.«
    »So ist es.« Er sah sie mit mattem Lächeln an. »Trinkt ganz langsam, Mylady. Ich schicke Euch jemanden mit Brot, damit Ihr etwas zu essen habt.«
    Sie bedankte sich und setzte sich auf das Mäuerchen zwischen Kathedrale und Bischofsresidenz. Von Letzterer war nur ein Trümmerhaufen übrig.
    Sie stellte den Becher auf die Mauer und stützte die Ellbogen auf die Knie. Dann begrub sie das Gesicht in den Händen und schluchzte hemmungslos. Nach diesem Tag, an dem sie so viel Leid und Tod gesehen hatte, konnte sie nicht mehr an sich halten.
    Jemand ließ sich neben ihr nieder. Nicht irgendjemand. Jordan. Das erkannte sie mit einem Sinn, der keinen Namen hatte.
    Sie blickte auf und sah ihn an. Eine Schramme in seinem Gesicht verlängerte seine Narbe. Schmutz und Staub hatten
sein Haar grau gefärbt wie das Haar eines Greises. Sein Gewand war an einer Schulter zerfetzt, und als er einen Arm um sie legte, sah sie, dass der andere Ärmel ganz abgerissen war.
    »Wie geht es?«, fragte sie, als sie ihm den Wein reichte.
    Er nahm einen tiefen Schluck und spülte damit den Mund aus, ehe er auf den Boden ausspuckte. »Für jemanden, der sich in einer einstürzenden Kathedrale aufhielt, geht es mir recht gut.«
    »Ich war in größter Sorge um deine Sicherheit.«
    Er führte den Becher an ihre Lippen und wartete, bis sie einen Schluck getrunken hatte. Dann trank wieder er und schluckte den Wein diesmal hinunter. »Du hattest auch allen Grund. Das Kirchendach und der Mittelturm stürzten völlig ein.«
    »Du konntest viele Menschen retten.«
    »Und sah noch mehr Tote.« Er seufzte. »Wäre dies gestern geschehen, als die Kathedrale zur Palmsonntagsmesse voll war, hätte es noch mehr Todesopfer gegeben.«
    »Das dachte ich mir auch.« Sie stellte den Becher auf die Mauer und rieb sich die Hände.
    Er ergriff sie und massierte sie sanft. »Und wie geht es dir, Isabella?«
    »Ich bin müde, doch bin ich am Leben - ein Grund, dankbar zu sein.«
    »Dank dir können das auch viele andere Menschen sagen.«
    »Nicht alle, die wir retteten, werden überleben.«
    »Doch kamen sie nicht unter einstürzenden Mauern ums Leben.«
    Sie liebkoste seine Wange, wobei sie darauf achtete, wo getrocknetes
Blut eine gezackte Spur hinterlassen hatte. »Dank dir.«
    »Ein halbes Dutzend von uns krochen über die Überreste der Kathedrale.«
    »Wie lange die Brände wohl andauern werden?«
    Er runzelte die Stirn. »Sag bloß nicht, dass du in diesem Trümmerfeld nach der Kassette suchen willst.«
    »Was bleibt mir denn übrig? Ich gelobte, die Kassette zu finden und der Königin zu überbringen.«
    »Wie willst du in diesen Ruinen etwas finden?« Er deutete auf den rauchenden Schutt.
    »Ich weiß es nicht.« Sie starrte die Ruinen an. »Ich weiß es wirklich nicht.«

22
    J ordan hasste Schwäche, besonders die eigene. Als er am Rand des Bettes saß, in dem Isabella noch immer schlief, griff er nach seinem Kopf und hielt den Atem an, während er wartete, dass sein Schwindelanfall aufhörte. Seit dem Erdbeben und der Zerstörung der Kathedrale war fast eine Woche vergangen, eine Woche, seitdem ihn herabstürzende Steine getroffen hatten, als er versuchte, den Leichnam Kanonikus Anthonys zu bergen. Wie lange würde er noch an diesen Schwächeanfällen leiden?
    In Lincoln war man bemüht, in dem Chaos Ordnung zu schaffen, ein schwieriges Unterfangen, da viele Häuser, zumal in der Ermine Street, zerstört worden waren. Hätten die
Mönche ihn und Isabella nicht in einem Raum mit Aussicht auf den Kreuzgang untergebracht, hätten sie wie die anderen unter freiem

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