Die Lady mit der Feder - Roman
unsere Diskussion beendet haben.«
»Gut. Isabella?« Jordan reichte ihr die Hand.
Sie zögerte. »Eure Wunde an der Seite …«
»Isabella, es ist keine Zeit zu verlieren.« Er sagte es in dem ungeduldigen Ton, den Lord Weirton dem Sheriff gegenüber angeschlagen hatte.
»Ich verliere keine Zeit! Wenn Ihr nicht wenigstens so viel Verstand habt, wie der liebe Gott einer Gans gab, und nicht wisst, dass Ihr versorgt werden müsst …«
Er packte ihr Handgelenk und zog sie zu sich. Sie hob ihren Arm, entschlossen, sich loszumachen, als er leise sagte: »Wir müssen jetzt aufbrechen.«
Unsicher, was die Spannung in seiner Stimme bedeutete, schwankte sie. Ihre Gedanken flogen zu dem Moment, als er sie in die Arme gezogen hatte. Nie hatte sie geahnt, dass der Kuss eines Mannes sie so schwächen konnte wie Samson, der seine Kraft verlor, als ihm die Haare geschnitten wurden. Alle ihre Sorgen um die Erfüllung ihrer Aufgabe waren wie weggeblasen, als hätten sie nie existiert.
Als nun Emery mit einer Fackel in der Hand um den Karren herumging, sah sie in Jordans Augen. Schatten glitten über seine linke Gesichtshälfte, seine rechte aber war erhellt. Sie konnte die Linien sehen, die der Schmerz um seinen Mund eingegraben hatte. Seine Lippen waren gespannt, und seine Augen bohrten sich schmerzhaft in ihre. Als sein Griff sich lockerte und seine Finger über die empfindliche Haut an der Unterseite ihres Handgelenks fuhren, schienen ihre Beine so wacklig wie die des Sheriffs. Sie wollte ihre Arme um Jordans Schultern legen, um sich aufrecht zu halten und ihm nahe zu sein.
»Jetzt«, sagte er in einem Ton, wenig mehr als ein Flüstern.
»Ja.« Ihre Finger prickelten. Sie wollte seine Lippen nachzeichnen und den Puls seines Atems mit jedem gesprochenen Wort spüren.
»Jetzt.«
»Ja!« Ihr Verlangen nach einem Kuss überwältigte alles andere, und ihre Hand legte sich um seinen Nacken und zog seinen Mund näher.
Er legte den anderen Arm um sie. »Wir müssen …«
»Ja.« Sie wusste, was Sehnsucht war, wenn sie sich doch nach seinem Kuss verzehrte.
»… jetzt losfahren.« Er versetzte ihr einen nicht allzu sanften Schubs auf die Hinterseite des Karrens zu.
Isabella blinzelte, als sie merkte, dass sie in ihrer Phantasie allein war. In Jordans Augen hatten intensive Gefühle gebrannt, aber nicht jene, die sie verzehrten und sie nur daran denken ließen, wie seine Berührung sie erregt hatte.
»Lady Isabella«, sagte Lord Weirton und streckte ihr die Hand entgegen, »erlaubt, dass ich Euch auf den Wagen helfe.«
Sie starrte seine Hand an, nicht gewillt, ihre hineinzulegen, doch durfte sie einen Mann, den Jordan kannte und respektierte, nicht beleidigen.
Als sie ihre Hand in seine legen wollte, schauderte Lord Weirton leicht zusammen. »Es muss nicht sein, dass Ihr mit einem Leichnam im Wagen fahrt. Ich kann Euch auf Kenwick Castle ein Pferd anbieten.«
»Weirton«, antwortete Jordan, ehe sie sich eine Antwort zurechtlegen konnte, »Lady Isabella und ich wissen es zu würdigen, dass Ihr die Sache mit Gamell aufklärt, doch müssen wir unbedingt nach La Tour.«
»Natürlich, obwohl, wie schon gesagt, meine Schwester sehr enttäuscht sein wird, le Courtenay.« Er warf einen Blick zum Wagen. »Gewiss habt Ihr nichts dagegen, wenn wir der Totenmesse beiwohnen.«
»Wenn Ihr wollt.«
»Odette wird es wollen, also erwartet uns in einem oder zwei Tagen in La Tour. Es wird vielleicht etwas dauern, bis die Sache hier bereinigt ist«, sagte der Baron. Er kniff die Augen zusammen, als er auf den Sheriff zuging.
Isabella hätte nicht erwartet, für Gamell Mitleid zu empfinden,
wie sie entsetzt feststellte, denn der Mann hatte immerhin gedroht, Jordan zu hängen, und hätte ihn glatt dem Tod im »Feuer« ausgeliefert. Doch als sie sah, dass Gamell sich wie ein geprügelter Hund duckte, tat er ihr leid.
»Emery«, sagte Jordan und lieferte ihr einen Vorwand, ihren Blick von dem abzuwenden, was sie nicht sehen wollte, »hilf Lady Isabella auf dein Pferd. Eine Lady sollte nicht auf einer Totenbahre fahren. Ich hoffe, diese Aufgabe übernimmst du.«
Sein Knappe zögerte. »Ich tue es gern, Mylord«, sagte er dann.
Einen flüchtigen Moment erwog Isabella, ob sie nicht vorschlagen sollte, die Zügel zu führen, doch war sie erschöpft und hatte keine Lust, das Pferd ständig anzutreiben. Als Emery mit seinen Händen eine Aufstiegshilfe bildete, um sie auf seinen Rappen zu heben, nahm sie dankend an und drehte sich im Sattel
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