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Die Lady mit der Feder - Roman

Die Lady mit der Feder - Roman

Titel: Die Lady mit der Feder - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley Anke Koerten
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um, um zu beobachten, wie Jordan sich schwerfällig auf sein Pferd hievte. Wieder wollte sie vorschlagen, sie sollten warten, bis sie seine Wunde versorgt hatte. Sie sagte nichts. Die Äbtissin hatte ihn als ehrenhaft bezeichnet; Isabella hätte ein anderes Wort gewählt. Stur.
     
    Der breite Bach war so seicht, dass Isabella sich beim Durchwaten nur die Stiefelspitzen benetzt hätte. Allerdings sah sie im Morgenlicht, das durch die Bäume einfiel, dass jemand sich die Mühe gemacht hatte, eine Brücke zu errichten, die für ein einzelnes Pferd breit genug war. Als Stützen dienten in kurzen Abständen zu beiden Seiten aneinandergelehnte, hohe, flache Steine. Eine komplizierte Struktur für einen so leicht zu überquerenden Bach.

    »Jemand muss die nassen Stiefel sattbekommen haben«, sagte Emery, als er mit dem Karren an der Stelle angelangt war, wo Jordan mit seinem Pferd oben auf der sanft geneigten Böschung anhielt. »Ich glaube, viel einfacher wäre es gewesen, sie auszuziehen und ans andere Ufer zu tragen.«
    »Halte das Pferd nicht an. Bleibt es stehen, bringst du es womöglich nie wieder in Gang«, sagte Jordan mit einer bezeichnenden Handbewegung. Als der Karren weiter über die Uferböschung holperte, setzte er hinzu: »Wir sollten La Tour bei Sonnenuntergang erreichen, damit alles für die Totenmesse bereit ist, wenn Weirton und Lady Odette eintreffen. Wir …« Er fluchte, als er im Sattel ins Schwanken geriet.
    Isabella sprang von Emerys Pferd. Sie streckte die Hände aus und stützte Jordan ab, ehe er auf den Boden fallen konnte. Emery machte Anstalten, den Karren wieder zu wenden.
    Jordan machte den Mund auf, Isabella aber schnitt ihm das Wort ab. »Emery, Ihr habt gehört, was Lord le Courtenay sagte. Immer in Bewegung bleiben. Wir holen Euch binnen einer Stunde ein.«
    »Isabella«, setzte Jordan an. »Ich kann …«
    »Ich bin sicher, dass Ihr könnt, doch bezweifle ich, ob ich es ertrage, Euch im Sattel schwanken zu sehen wie einen Seiltänzer auf dem Seil.«
    Emery lachte leise. Er schnalzte mit den Zügeln und befahl dem Pferd, ins Wasser zu gehen. Sein Lächeln verschwand, als das Pferd sich nicht von der Stelle rührte. Mit einer Reihe von Flüchen, die Isabella noch nie gehört hatte, sprang er vom Karren, packte das Pferd am Zaum und führte es in den Bach.
    Isabella lächelte. »Mir scheint, das arme Tier ist eher geneigt,
sich die Hufe nass zu machen, wenn jemand anderer auch nass wird. Und was Euch angeht, Jordan …« Plötzlich merkte sie, dass sie sein Bein in dem Rhythmus streichelte, den das Pferd vorgab, das langsam durch den Bach stapfte. Sie riss ihre Finger weg und deutete auf das nähere Ende der Brücke. »Setzt Euch dorthin, damit ich Eure Wunde versorgen kann. Ihr wollt sicher nicht neben Eurem Freund beerdigt werden.«
    »Ihr nehmt wohl nie ein Blatt vor den Mund?«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr die Wahrheit so schlecht vertragt.« Sie ging zu dem Stein, der mit einem Ende im Ufer steckte. Er war groß genug, um ein ganzes Stück aus dem Wasser zu ragen, das gegen die Böschung schlug. Sie benötigte Zeit, um ihre Fassung wiederzuerlangen. Ihre Erschöpfung war die plausibelste Erklärung für ihre Gefühlsschwankungen. Sicher würde sie diese wieder in den Griff bekommen, wenn sie ausgeschlafen war.
    Sie saß da und sah zu, wie Jordan sich langsam aus dem Sattel schwang. Seine Schritte waren von berechnetem Gleichmaß. Da er Schwäche gezeigt hatte, war er nun entschlossen, sich nichts mehr davon anmerken zu lassen. Er konnte nicht wissen, dass viele ihrer Mitschwestern denselben Trick versucht hatten und dass sie ihn durchschaute. Schweigend zu leiden war angebracht, wenn man sich einem Gegner gegenübersah, ob ernsthaft oder während einer von Narikos Trainingsstunden. Sobald aber der Kampf beendet war, konnte dieser Stoizismus gefährlich werden.
    »Setzt Euch«, sagte sie und wies neben sich auf den Stein.
    »Ihr macht zu viel Aufhebens von einer einfachen Wunde.« Ein finster Blick verhärtete seine Miene. »Ich habe schon viel mehr aushalten müssen.«

    »Das sehe ich.«
    Es war die falsche Entgegnung. Seine Augen blitzten vor Zorn, als sich Falten in seine Stirn gruben, fast so tief wie die Wunde.
    »Tut nicht so, als würde ich Euch beleidigen.« Übermüdung trieb sie zu der scharfen Erwiderung. Aber es war nicht nur der Schlafmangel, sondern die Notwendigkeit, jedes ihrer Worte auf die Goldwaage zu legen. »Was muss ich denn noch tun, um zu beweisen,

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