Die Lady mit der Feder - Roman
er zu gern mit seinen Männern gegangen wäre.
»Warum habt Ihr Lord le Courtenay auf seiner Reise aufgehalten?« Der Baron sprach mit der strengen Ungeduld eines Vaters, der ein beschränktes Kind für dasselbe Vergehen schon öfter gescholten hat. »Ihr seid angehalten, Reisenden durch unsere Grafschaft Schutz zu bieten, und nicht, sie zu belästigen.«
»Er stahl …« Gamell schluckte so laut, dass Isabella es hören
konnte, obwohl sie eine Schwertlänge entfernt stand. »Man sagte uns, er hätte einer Witwe den Karren gestohlen.«
»Gestohlen?« Lord Weirtons Brauen berührten fast das Haar, das in seine vor Schweiß glänzende Stirn fiel.
Isabella beobachtete den Baron, während Jordan erklärte, wie er den Karren einem Mann abgekauft hatte, den er für den Besitzer hielt. Lord Weirtons Blick zuckte immer wieder zu Gamell. Sie konnte nicht beurteilen, ob es Jordan auffiel, doch Gamell fiel es auf. Und mit jedem Blick sank er mehr in sich zusammen.
»Aber er führt einen Leichnam auf dem Karren mit sich!«, unterbrach Gamell in einem allerletzten Versuch, seinen Stolz zu retten.
In unverändert ruhigem Ton sagte Jordan: »Ich schaffe Ryce de Dolan zu einer würdigen Grabstätte.«
Lord Weirton nickte und sah dabei Isabella an. Er schätzte sie ab, als hätte er sie zuvor nicht wahrgenommen. Er hob die Hand, um sein Kinn zu reiben, während sein Blick wieder auf die Klinge in ihrer Hand fiel.
Ihre Finger umfassten den verzierten Griff fester. Jordan hatte den Baron seinen Freund genannt, doch war fraglich, ob sie selbst Lord Weirton jemals so bezeichnen würde.
»Und sie hilft Euch bei diesem Vorhaben?«, fragte der Baron.
»Ja.« Jordan ließ es dabei bewenden.
»Ich verstehe.« Er richtete seinen Blick wieder auf Gamell. »Und dies sollte auch mein Sheriff. Le Courtenay, warum kehrt Ihr mit Lady …?«
»Lady Isabella de Montfort«, sagte sie leise.
Jordan runzelte die Stirn. Warum betrübte es ihn, dass sie den Baron an ihren Namen erinnern musste?
Falls Lord Weirton Jordans Miene wahrnahm, schenkte er ihr keine Beachtung, als er fortfuhr: »… mit Eurer Lady nicht nach Kenwick Castle zurück? Odette wird sich um Euer Wohlbefinden kümmern. Ich würde diese Sache gern weiter mit meinem Sheriff besprechen, sobald seine Leute das Feuer löschen konnten, das diesen beißenden Qualm erzeugt.«
»Ich sagte schon, Mylord, dass es kein Feuer gibt«, wandte Gamell ein.
»Wo es Rauch gibt, ist ein Feuer.« Weirtons Ton wurde härter. »Und schweigt, bis man Euch fragt.« Er wurde wieder freundlicher. »Wenn Ihr die Straße zur Rechten nehmt, werdet Ihr Kenwick Castle im Morgengrauen erreichen.«
»Wir wollen nach La Tour de Courtenay«, erwiderte Jordan und legte seine Hand auf den Karren. Die Kette schlug mit scharfem Klirren ans Holz.
Gamell wartete nicht, bis Lord Weirton etwas sagte. Er fischte von irgendwo unter seiner Tunika einen Schlüssel heraus, wobei er fast umfiel, da der stützende Ast unter ihm schwankte. Als der Baron seine Hand ausstreckte, taumelte der Sheriff vorwärts, um ihm dem Schlüssel zu überreichen.
Lord Weirton äußerte etwas und bedeutete dem Sheriff beiseitezutreten. Gamell starrte Isabella lange an, ehe er der Aufforderung folgte.
Als der Sheriff sich entfernte und sie aufatmete, glitt ihr Atem an angespannten Lippen vorüber. Sie wollte ihre Augen nicht vor seinem giftigen Blick senken und ließ sich ihre Beklemmung nicht anmerken. Wenn der Sheriff merkte, dass er sie nicht entmutigen konnte, würde er von seinen Versuchen ablassen.
Als die Handschellen aufgeschlossen und abgenommen
wurden, rieb Jordan seine Gelenke. Er warf die Kette Emery zu, der sie nicht auffing, weil der junge Mann mit aufgerissenen Augen und offenem Mund Lord Weirton anstarrte.
»Gib sie Lord Weirton, damit niemand mehr so behandelt wird«, sagte Jordan.
Emery machte den Mund zu, nickte, griff nach den Handschellen und hielt sie dem Baron hin.
Mit einem Blick zu Lord Weirton fuhr Jordan fort: »Wir brauchen den Karren, andererseits ist mir klar, dass die Besitzerin ihn für die Feldarbeit benötigt.« Er holte unter seiner Tunika eine kleine Börse hervor. »Der Inhalt reicht, dass die Witwe sich einen Karren und anständige Zugtiere kaufen kann.« Er warf die Börse dem Baron zu. »Könnt Ihr dafür sorgen, dass sie das Geld bekommt, ohne dass es in fremde Hände gelangt?«
»Sehr gern.« Der Baron lachte wenig belustigt. »Es erscheint mir als passende Aufgabe für Gamell, sobald wir
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