Die Lady mit der Feder - Roman
dass ich Eure Verbündete bei Eurem Vorhaben bin und Ihr bei meinem, wie ich hoffe.«
»Isabella …«
»Seid still und setzt Euch, damit ich mir die Wunde ansehen kann.« Sie ließ ihrem Ärger freien Lauf. »Bei der nächsten Verwundung könntet Ihr mit finsterer Miene durch die Gegend rennen, aber jetzt müsst Ihr wieder ganz auf die Beine kommen, damit Ihr mir helfen könnt. Ich werde nicht dulden, dass sich Euer Zustand aus Unvernunft verschlimmert.« Wieder deutete sie neben sich auf den Stein. »Setzt Euch und seid still.«
Isabella war angenehm überrascht, als Jordan gehorchte. Er setzte sich neben sie und drehte sich wie verlangt zur Seite. Dabei fiel ihr auf, dass die grauen Halbkreise unter seinen Augen zu den Rauchspuren an seinen Kleidern passten.
»Wie lange habt Ihr nicht mehr geschlafen?«, fragte sie leise.
»Ungestört eine ganze Nacht?«
»Ja.«
»Seit einem Jahr oder zweien.«
Sie runzelte die Stirn. »Ich fragte im Ernst.«
»Und ich antwortete ernsthaft. Wenn man mit dem König
und seinen Söhnen reitet, ist Schlaf sehr rar. Alle Plantagenets leben hart und trinken hart und huren hart. Das wird auch von den Männern erwartet, die ihnen dienen.«
»Ich verstehe.«
»Was versteht Ihr?«, fragte er und schockierte sie, da er wie seine Tante klang.
»Ich verstehe, warum Ihr so wenig Schlaf gefunden habt.« Als sie sich bückte und das getrocknete Blut an der rechten Seite seiner Tunika prüfte, konnte sie seinem Blick ausweichen. Alles wäre einfacher gewesen, wenn er nicht so unglaublich männlich gewesen wäre.
Männlicher Moschusduft umgab ihn wie eine unsichtbare Aura. Sein Muskelspiel war aufreizend und geschmeidig. Im Unterschied zu ihren Mitschwestern, die trotz täglichen Trainings eine gewisse Weichheit behielten, war sein Körper so hart wie der Panzer, den er im Kampf getragen haben musste.
»Wo ist Eure Halsberge?«, fragte sie, als er seine Tunika über den Kopf zog und zusammenzuckte.
»Ich glaubte, dass ich mein Kettenhemd nicht brauchen würde, wenn ich das Grab meines Freundes besuche, zumal ich der Meinung war, es befände sich in der Priorei.« Er warf die Tunika auf den Stein, ehe er sich nach einer Handvoll Wasser bückte, das er auf die Wunde spritzte. Als das Wasser über seine bronzene Haut rann, sah er sie mit schiefem Lächeln an. »Diesen Fehler werde ich nicht mehr machen.«
Ihr Magen schlug einen Purzelbaum, ihr Herz raste. Nie hätte sie gedacht, wie liebenswert dieser Ausdruck sein Gesicht machen würde. Er vertrieb auch die strengsten Linien und milderte den heißen Zorn in seinen Augen, so dass sie
den Menschen vor sich sah, der einen guten Scherz und die Gesellschaft guter Freunde genoss.
Sie wollte mehr über diesen Mann erfahren, doch als er sein Hemd hob und den Schnitt entlang des rechten Rippenbogens enthüllte, hielt sie unwillkürlich die Luft an. Sie hatte schon schlimmere Wunden gesehen, Verletzungen, die sich entzündet hatten, ehe der Verwundete Heilung gesucht hatte, doch war sie erstaunt, dass Jordan so tief getroffen worden war. Er hatte den Schmerz gut verborgen.
»So schlimm?«, fragte er mit einem Anflug von Humor im Ton.
»Ihr lebt noch, stimmt’s?« Sie ahmte seinen leichten Ton nach. Mitleid wollte er nicht, also durfte sie keines zeigen.
»Ihr versteht Euch auf Heilkunde, also solltet Ihr nicht fragen, sondern mir etwas sagen.«
»Ihr redet zu viel. Ihr sollt still sein, damit ich mich konzentrieren kann.«
Er lachte leise und zuckte wieder zusammen.
Sie nahm einen Beutel von ihrem Gürtel, öffnete ihn und zog zwei Dinge heraus. Nun spulte sie eine Länge Faden von dem Knäuel ab, den sie immer bei sich hatte. Sie schnitt den Faden mit dem Messer ab und legte den Knäuel weg. Sodann wickelte sie eine Leinenhülle auf, die einen kleinen Glasbehälter schützte. Nachdem sie ihn vorsichtig geöffnet hatte, um die Flüssigkeit nicht zu verschütten, zog sie eine kostbare Metallnadel heraus und schüttelte sie.
»Rieche ich da Wein?«, fragte Jordan.
»Ja.«
»Um den Schmerz der Behandlung zu lindern?«
Sie hielt die Phiole hoch, in der sie die Nadel aufbewahrte.
Sie war zum Teil mit einer tiefroten Flüssigkeit gefüllt. »Wenn Ihr meint, dass der Inhalt reicht, könnt Ihr gern trinken.«
»Warum führt Ihr so wenig mit?«
»Der Alkohol dient nur dazu, meine Nadel vor schädlichen Keimen zu schützen.« Sie tauchte den Faden ins Glas und zog ihn langsam heraus. »Ebenso schützt er den Faden, den ich zum Vernähen des
Weitere Kostenlose Bücher