Die Lady mit der Feder - Roman
Mission an Reiz verlieren würde, wenn er nicht bei ihr war, um es zu teilen.
Länger konnte sie nicht warten. Sie hatte versprochen, die Papiere möglichst schnell zu finden und der Königin zu übergeben. Eine Verzögerung war unvermeidlich gewesen, als es darum ging, Jordan zu helfen. Ein Bummel in der Frühjahrssonne aber war keine Notwendigkeit. Entschlossen hielt sie auf das nächste offene Portal zu.
Gesang empfing Isabella, als sie die prachtvolle Kathedrale betrat. Wieder wurde sie von Erregung erfasst, als sie zu der Fensterreihe aufblickte, die sich das Kirchenschiff entlangzog.
Die hohen Säulen, die die Tonnendecke trugen, endeten weit über ihrem Kopf.
Sie staunte, wie schön das Sonnenlicht durch die hoch in die Mauern zu beiden Seiten des Kirchenschiffs eingelassenen Fenster einfiel. Vor ihr am anderen Ende des langen Kirchenraumes erstreckte sich das Querschiff mit dem Chor unter dem Einzelturm. Holz und Stein, kunstvoll verarbeitet, wetteiferten um ihre Aufmerksamkeit. Sie wünschte sich ein Dutzend Augen, um alles auf einmal sehen zu können.
»Willkommen«, sagte ein Mann, als er an ihr vorbeilief. Seine Schritte huschten gedämpft über den Steinboden. Ehe sie antworten konnte, verschwand er in einer Seitenkapelle an einer Seite des Eingangs.
Da sie jeden Winkel der Kathedrale erkunden wollte, konnte sie sich den Luxus der Zeitverschwendung nicht leisten. Ihr Ziel war es, die kleine Metallkassette zu finden. Sie umrundete das schlichte Taufbecken, das inmitten dieser Pracht geradezu fehl am Platz wirkte. Auf der anderen Seite des massiven Steinbeckens sah sie einen Mann auf dem Boden sitzen. Er schnitzte ein kompliziertes Muster in eine Platte, die als Abdeckung des Beckens gedacht sein musste.
Er blickte auf und schenkte ihr ein müdes Lächeln.
»Das ist wunderschön«, sagte sie im Flüsterton. Dennoch schienen ihre Worte an Lautstärke zuzunehmen, als sie die Decke erreichten.
»Ich hoffe, dass es dem neuen Bischof gefällt.« Er strich mit der Hand über ein Gebilde, das ein Lamm sein musste. Die Umrisse waren grob, doch die Blume, die es im Maul hielt, sah aus wie echt.
»Wurde schon ein neuer Bischof ernannt?« Sie war unsicher,
welche Antwort sie sich erhoffte. Ein neuer Bischof konnte sie zu dem Versteck der Kassette führen, er konnte sie aber ebenso bei ihrer Suche behindern. Wer auch immer ernannt worden war, würde dem König und dem Erzbischof für die Erhebung in dieses angesehene Amt Dank schulden.
»Es gibt noch keinen neuen Bischof«, sagte der Steinmetz und setzte seinen Meißel mit Sorgfalt an den Umrissen des Lammes an. »Er wird kommen, wenn der liebe Gott es für richtig hält.«
Dieser sanfte Hinweis auf Geduld entlockte Isabella ein Lächeln. Hätte sie mehr Geduld besessen, wäre Jordan an ihrer Seite gewesen und hätte diesen letzten Abschnitt ihrer Reise mit ihr geteilt. Sie hätte ihn nicht darum bringen dürfen.
Sie drehte sich um und wollte durch das Portal hinaus, durch das sie eingetreten war. Sie stutzte, als sie Jordan hinter dem Taufbecken stehen sah. Wie sie hatte auch er seine Reisekluft abgelegt und wirkte so eindrucksvoll wie in der großen Halle von La Tour. Hitze schoss in ihr hoch, ehe sie ihre Beine entlang wieder hinunterglitt, dass sie die Zehen in den Stiefeletten krümmte.
Langsam ging sie auf ihn zu, unbekümmert um das, was sie einander versprochen hatten. Sein Blick brannte sich in sie, als sie ihre Hände zu ihm hob, da sie seine festen Muskeln und seine sanfte Berührung neu entdecken wollte.
Er nahm eine Hand, beugte sich darüber und küsste sie mit so wenig Leidenschaft, als wären sie sich fremd. Ihre Vorfreude war wie weggeblasen und machte Enttäuschung Platz. Als er ihre Hand rasch losließ, wollte sie protestieren. Mit einer unmerklichen Kopfbewegung blickte er an ihr vorüber.
»Guten Morgen, Vater«, sagte er.
Isabella erstarrte, rang sich aber ein Lächeln ab, als sie sich zu dem Priester umdrehte. »Guten Morgen, Vater.«
»Guten Morgen. Ich bin Vater Joseph. Kann ich etwas für Euch tun?«
Ihr Lächeln wurde wärmer. Zuerst mussten sie die Kassette finden, und dann konnten sie und Jordan sich ausdenken, wie sie feiern wollten.
»Ich muss jemanden sprechen, der die Amtspflichten des Bischofs bis zur Ernennung eines Nachfolgers übernommen hat«, erwiderte sie.
»Die Kanoniker teilen sich die Pflichten mit dem Dekan.«
»Könnte ich den Dekan sprechen?«
»Er ist nicht da, doch sah ich Kanonikus Anthony in
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