Die Lady mit der Lanze
Elspeths Reaktion auf Iaus gezielte Frage wäre sehr interessant … und erhellend gewesen.
»Es sieht ganz danach aus, als würdest du bei so hingebungsvollen Pflegerinnen nicht zu stark leiden.« Die scherzhaft gemeinten Worte wirkten schal.
Seine Männer sahen ihn erstaunt an. Seit Addfwyns Tod hatte er auch nicht die Andeutung eines Witzes zum Besten gegeben. Warum jetzt? Er wünschte, er hätte den Mund gehalten, als seine Leute die Blicke abwendeten, seinetwegen peinlich berührt.
Ihre Verlegenheit hätten sie sich sparen können, da die Magd Difyr nur Augen für Iau hatte. Welche Miene Elspeth zur Schau trug, konnte er nicht einmal ahnen, da sie ihm den Rücken zukehrte. Sie richtete sich mit derselben Anmut auf, die er an ihr gesehen hatte, als sie ihren Kampfstock handhabte.
»Kann ich mit Euch sprechen?«, fragte er.
Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, und er hatte das Gefühl, jemand hätte ihm einen Schlag versetzt. Ihm stockte der Atem, als er ihrem Blick begegnete. Ihre grünen Augen wirkten unergründlich tief, während ihre wirren roten Locken wie der Herbstwald waren, wenn das Laub vor dem Herannahen des Winters in seinen leuchtendsten Farben prangt.
»Aber gewiss, Fürst Tarran«, antwortete sie mit einer Kühle, die er von ihr noch nie gehört hatte.
»Allein?«
Falls seine Frage sie überraschte, war ihr nichts anzusehen. »Gehen wir dort an den leeren Tisch? Auch ich möchte etwas mit Euch besprechen.«
»Ach?« Er reichte ihr seine Hand.
Als sie ihre Finger auf seine Hand legte, fehlte nicht viel, und er hätte sie zurückgezogen. Ihre Berührungen waren wie Blitze, die ihn durchzuckten. Auch seine Lederhandschuhe vermochten ihn vor der Glut nicht zu schützen. Ihre Finger umklammerten die seinigen, die viel breiter waren, und er staunte, wie kräftig sie ihn anfasste. Noch mehr staunte er, als sie ebenso rasch seine Hand losließ, zum Tisch ging und dann stehen blieb. Sie blickte sich nicht um, obwohl sie eindeutig darauf wartete, dass er sie einholte.
Die Neugierde fesselte ihn ebenso, wie es das Feuer getan hatte. Sie verbarg ihr Gesicht. Warum? Wollte sie ihm vorenthalten, wie sie auf seine Berührung reagiert hatte? Er war versucht, zu ihr zu sagen, dass sie zu verbergen suchte, was sie bereits zu erkennen gegeben hatte. Führte sie ihn in eine leere Ecke in der Hoffnung, ihn zu verführen, wie das Frauenzimmer es bei Iau versucht hatte?
Tarran fluchte insgeheim. Hatte Elspeth ihn mit einem ihrer um sich tretenden Beine am Kopf getroffen? Das wäre die einfachste Erklärung dafür, dass er anscheinend seinen Verstand verloren hatte. Zwei Jahre lang hatten alle Gedanken nur darum gekreist, Bradwr ap Glew zu finden und ihn für Addfwyns Tod büßen zu lassen. Und jetzt, da er genau auf dieses Ziel zusteuerte, wurden seine Gedanken von dieser Rothaarigen abgelenkt.
Rot! Wie er diese Farbe hasste! Immer wenn er Elspeth Braybrooke ansah, musste er sich dies in Erinnerung rufen.
Kaum hatte er sich ihren Schritten angepasst, als sie ihn mit kaum verhülltem Zorn fragte: »Wie konntet Ihr - ein Fürst - zulassen, dass Vala ohne Ruhepause eine so lange Strecke zurücklegte?«
»Sie beklagte sich nicht«, stieß er erstaunt über ihre Frage hervor. Er hatte angenommen, sie wolle über seine Gefährten Klage führen.
»Ich bin sicher, dass sie es nicht tat, doch seid Ihr der Fürst, nicht sie. Ihr seid derjenige, der sich um seine Gefolgsleute kümmern soll, ob gesunder junger Krieger oder eine alte Frau, die Euch ihr Leben lang diente. Sie ist erschöpft.«
Er wollte antworten, als ihm einfiel, dass er keine Antwort hatte. Sie hatte Recht. Wieder hatte er sich so sehr auf seine eigenen Belange konzentriert, dass er seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen war. Er war verpflichtet, Vala vor den Strapazen der Reise zu bewahren. Statt einer Antwort bedeutete er Elspeth, sich auf die Bank zu setzen.
Sie tat es, und ihre Augen wurden groß, als er sich neben sie setzte. »Was habt Ihr mir zu sagen, dass es niemand hören soll?«
»Warum fragt Ihr das?«
»Ich wüsste keinen anderen Grund, weshalb Ihr mich hierherbringt und Euch so nahe zu mir setzt.«
Er konnte sich mehrere Gründe denken. Seine Gedanken mussten ihm ins Gesicht geschrieben sein, da sie so rasch den Blick abwendete wie seine Männer, als er den matten Scherz versucht hatte. Beim heiligen David! Was war nur mit ihm los? Seine Gedanken waren nie abgeirrt, bis er sie gesehen hatte, wie sie aus der Schießscharte hing. Und
Weitere Kostenlose Bücher